Gerhard Geiger, Ekbert Hering, Rolf Kummer
Kanban
Optimale Steuerung von Prozessen
2 Einleitung
Einleitung Veränderungen in der Unternehmensumwelt erfordern auch Veränderungen in den Unternehmen. Heute reicht es nicht mehr aus, Kundenwünsche nur zu befriedigen:
Jedes erfolgreiche Unternehmen muss die Wünsche der Kunden übertreffen. |
Nur durch die kompromisslose Kundenorientierung kann ein Unternehmen in Zukunft bestehen. Die Märkte werden um die Unternehmen bereinigt, welche die Veränderungen der Unternehmensumwelt nicht wahrnehmen und nicht reagieren. Hat ein Unternehmen den Wandel der Zeit erkannt und begriffen, dass es reagieren kann, so reicht es allerdings nicht aus, den Hebel nur in der Abteilung anzusetzen, die in direktem Kontakt mit dem Kunden steht und somit für die Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden zuständig ist. Um Kundenwünsche erfolgreich zu übertreffen, muss das ganze Unternehmen, jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter die Notwendigkeit des Handelns erkennen und leben.
Die Veränderungen der Unternehmensumwelt und die daraus entstehenden Veränderungen im Unternehmen müssen alle Teilbereiche der Firma umfassen.
Nur die ständige Verbesserung der drei Hauptziele Qualität, Kosten und Zeit führt in eine gesicherte Zukunft. |
Um Kundenwünsche übertreffen zu können, müssen auch Veränderungen der bisherigen Produktionsstrukturen und -prozesse vorgenommen werden. Herkömmliche Produktionssteuerungskonzepte haben oft zum Ergebnis:
● | Überhöhte Bestände |
● | Lange Durchlaufzeiten |
● | Hoher Steuerungsaufwand |
● | Geringe Lieferfähigkeit |
● | Verschwendung |
● | Mangelnde Flexibilität |
● | Demotivierte Mitarbeiter |
● | Unzufriedene Kunden |
● | Terminjägerei |
In diesem Buch werden Möglichkeiten aufgezeigt, die diesen Defiziten entgegenwirken. Es wird ein Leitfaden entwickelt, mit dessen Hilfe jedes Unternehmen seine Produktionsstrukturen analysieren kann. Bei entsprechender Eignung können selbststeuernde Kanban-Systeme, die jeder Mitarbeiter beherrschen kann, eingeführt werden. Das Ergebnis soll sein:
● | Niedrige Bestände |
● | Kurze Durchlaufzeiten |
● | Geringer Steuerungsaufwand |
● | Höhere Lieferfähigkeit |
● | Vermeidung von Verschwendung |
● | Größere Flexibilität |
● | Motivierte Mitarbeiter |
● | Zufriedene Kunden |
Dieser Leitfaden mit erprobten und sofort umsetzbaren Praxisbeispielen hilft, Kanban in Unternehmen erfolgreich einzuführen und so die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. |
Herkömmliche Produktionsplanungs- und -steuerungs-systeme (PPS) benötigen einen hohen Aufwand für Steuerung, Datenverarbeitung, Kommunikation und Papier.
Ziel eines jeden Unternehmens muss es sein, diese Verschwendung an Zeit und Ressourcen zu minimieren und die Effizienz der PPS-Systeme zu erhöhen. Erforderlich ist allerdings, die Sicherheit der PPS-Systeme und der Produktion zu gewährleisten.
Zur Erreichung dieses Ziels kommen selbststeuernde Systeme in Frage. Bei diesen Systemen werden mit einem minimalen Eingriff einer zentralen Steuerung einzelne Regelkreise einer Selbststeuerung überlassen.
Damit selbststeuernde Systeme sicher und effizient funktionieren, sind folgende Voraussetzungen notwendig (Bild 1):
● | Klare Regeln |
● | Kurze Regelkreise |
● | Entsprechende Randbedingungen |
● | Absprachen mit dem betrieblichen Rechnungswesen und dem Controlling |
● | Qualifizierte |
● | und motivierte Mitarbeiter |
Bild 1: Bedingungen und Auswirkungen von Kanban |
2.1 Der Begriff Kanban
Kanban (japanisch 看 板, deutsch Karte, Tafel, Beleg) ist eine Methode der selbststeuernden Produktion nach dem Hol- oder Pullprinzip. Der Materialfluss ist hierbei vorwärts gerichtet (vom Erzeuger zum Verbraucher), während der Informationsfluss rückwärts gerichtet ist (vom Verbraucher zum Erzeuger).
Ständige Eingriffe einer zentralen Steuerung sind im Kanban-System überflüssig.
Das Kanban-System im eigentlichen Sinne ist ein Informationssystem, um die Produktionsprozesse harmonisch und effizient zu steuern.
Bild 2: Material- und Informationsfluss |
Die Kanban-Steuerung wird auch oft als Supermarktprinzip bezeichnet (Bild 3).
Bild 3: Supermarktprinzip |
In einem Supermarkt werden dem Verbraucher Waren zum Kauf angeboten. Der Verbraucher entnimmt die benötigte Ware aus dem Regal, und das Personal des Supermarkts füllt das Regal nach Bedarf wieder auf. Üblicherweise entnimmt das Verkaufspersonal die Ware aus einem Zwischenlager im Supermarkt. Dadurch werden Bestände aufgebaut, die dem System Sicherheit geben, aber die Prozesse verteuern. In einigen Supermärkten gibt es keine Zwischenlager; die Lieferanten übernehmen die Bestückung der Regale. Diese Prozesssteuerung hängt allerdings von räumlichen Entfernungen, Lieferzeiten und Kundennachfragen ab.
Bei einer Kanban-Steuerung wird dieses Prinzip auf einen Produktionsablauf übertragen:
Die Montage eines Unternehmens fertigt Produkte und entnimmt alle benötigten Komponenten aus einem Regal. Die vorgeschalteten Abteilungen oder die Lieferanten füllen die Regale wieder selbstständig auf.
● | Der Kunde entnimmt die gewünschte Ware. |
● | Das Verkaufspersonal erhält ein sichtbares Signal zum Auffüllen des Regals. |
● | Der Lieferant liefert entsprechend Ware nach. |
2.2 Entstehung von Kanban
Um im Wettbewerb mit amerikanischen Unternehmen bestehen zu können, begann die Toyota Motor Company in Japan 1947 mit der Entwicklung eines neuen Systems zur Planung und Steuerung der Produktion. Ziele waren die Steigerung der Produktivität und die Senkung der Kosten. Um diese Ziele zu erreichen, wurde von Taicchi Ohno das Toyota Production-System entwickelt. Bestandteil dieses Systems war die Just-in-Time-Produktion. Damit die benötigten Teile in der benötigten Menge zur benötigten Zeit an der richtigen Stelle ankommen, muss kommuniziert werden. Als Medium zur Informationsübertragung wurden Karten (jap. = Kanban) verwendet, die zwischen Verbrauchern und Produzenten pendelten.
Auf diese Art und Weise werden Prozesse einfach und transparent gesteuert.
Kanban wurde Ende der 70er Jahre in den westlichen Industrieländern bekannt und hat sich bis heute zu einem umfassenden System zur Planung und Steuerung von Produktionssystemen entwickelt.
Damit die Vorteile einer Kanban-Steuerung voll zur Geltung kommen, muss das betriebliche Umfeld angepasst und optimiert werden. |
Somit ist Kanban heute viel mehr als nur ein Informationssystem zur Steuerung einer Produktion, sondern ein Instrument, um die gesamten Prozesse in Unternehmen zu optimieren.
2.3 Prinzip
Bei einer Kanban-Steuerung im ursprünglichen Sinne wird nur gefertigt, wenn ein echter Kundenbedarf vorliegt. Die Losgrößen werden auf Tageslose heruntergebrochen, bzw. es wird nach dem Prinzip des One-piece Flow gearbeitet.
Bei herkömmlichen Systemen besteht eine Bringpflicht, d. h. die produzierende Stelle bringt das Material zu der verbrauchenden Stelle. Im Gegensatz hierzu besteht bei Kanban-Systemen eine Holpflicht, wobei der Verbraucher (Senke) sich das benötigte Material beim Produzenten (Quelle) holt.
Die produzierende Stelle braucht ein Signal, welche Teile in welcher Menge und zu welchem Zeitpunkt bei der verbrauchenden Stelle benötigt werden. Dieses...
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