Digitalisierung und Industrie 4.0 - einfach und effektiv - Systematisch und lean die Digitale Transformation meistern

Inge Hanschke

Digitalisierung und Industrie 4.0 - einfach und effektiv

Systematisch und lean die Digitale Transformation meistern

2018

422 Seiten

Format: PDF, ePUB, Online Lesen

E-Book: €  43,99

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ISBN: 9783446452992

 

1 Digitalisierung & Industrie 4.0

Every morning in Africa, a gazelle wakes up.
It knows it must run faster than the fastest lion or it will be killed.
Every morning a lion wakes up.
It knows it must outrun the slowest gazelle or it will starve to death.
It doesn‘t matter whether you are a lion or a gazelle.
When the sun comes up, you better start running.

Thomas L. Friedman: The World Is Flat, 2005

Die Digitalisierung ist ein „Game Changer“ und führt zu einem gravierenden und globalen Strukturwandel in der Wirtschaft und in allen Lebensbereichen der Gesellschaft. Die fortschreitende Durchdringung digitaler Technologien, sich ändernde Kundenbedürfnisse, der Umgang mit und die Verwertung von Daten, Globalisierung, Fusionen, zunehmender Wettbewerb und kürzer werdende Innovations- und Produktlebenszyklen zwingen Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle in immer kürzeren Zeitabständen zu überdenken und anzupassen. Bestehende Produkte, Wertschöpfungsketten und etablierte Geschäftsmodelle verändern sich. Unternehmen können in Echtzeit mit Geschäftspartnern und der Internet-Community kommunizieren. Per App werden betriebliche Anlagen genauso wie das „Smart Home“ gesteuert.

Die Digitalisierung ändert die Spielregeln. Volatile Märkte, steigende Bedeutung von Wertschöpfungsnetzwerken, neue Wettbewerber und gleichzeitig Fachkräftemangel erfordern ein Umdenken. Radikale Innovationen sind notwendig. Innovative maßgeschneiderte Produkte und Time-to-market entscheiden über die Wettbewerbsfähigkeit und das Überleben des Unter­nehmens. Die Unternehmen müssen entsprechend dem obigen Zitat von Friedman für den nächsten großen „Run“ bereit sein. Zur Bewältigung dieser gewaltigen Herausforderungen müssen Unternehmen ihre Digitalisierungskompetenz ständig weiterentwickeln. Die rechtzeitige Auseinandersetzung mit Chancen und Risiken der Digitalisierung entscheidet über das Überleben von Unternehmen.

Eine klare Vision (siehe Abschnitt 1.3) und eine Standortbestimmung bilden den Startpunkt und gleichzeitig die Voraussetzung für eine erfolgreiche digitale Transformation (siehe Bild 1.1 und Abschnitt 1.3.5).

Auf dieser Basis können in einem kreativen Prozess systematisch die für das Unternehmen relevanten digitalen Geschäftsmodelle entwickelt sowie die für die Umsetzung erforderlichen fachlichen und technischen Capabilities abgeleitet werden (siehe Abschnitt 4.2.1). Unter Nutzung von digitalen Lösungsbausteinen und Plattformen, z. B. für die Industrie 4.0, entstehen dann digitale Lösungen und individuelle Plattformen in einem agilen, fortlaufenden Veränderungsprozess, der digitalen Transformation. Aufgrund der Neuartigkeit der digitalen Produkte und Dienstleistungen ist deren Kundenwert vorab häufig schwer einschätzbar. Dann wird als erster Ausbauschritt ein Minimum Viable Product (MVP) angestrebt, die Lösung mit dem minimalen Funktionsumfang, der einen Wert für den Kunden darstellt. Ziel ist es, Produkte oder Dienstleistungen schnell auf den Markt zu bringen, um anhand von Feedback das Produkt oder die Dienstleistung und einhergehend den Kundenwert und damit auch die Kundennachfrage schrittweise zu verbessern. Diese Methode, Lean Startup genannt, verändert fundamental die Art und Weise, wie neue Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden (siehe hierzu Kapitel 5).

Bild 1.1 Digitalisierung im Überblick

Dieses Kapitel führt in die Digitalisierung und Industrie 4.0 ein. Sie finden hier Begriffsdefinitionen, die aktuellen Herausforderungen und Treiber der digitalen Transformation. Einen Schwerpunkt bilden die Digitalisierungsstrategie sowie Beispiele für digitale Geschäfts­modelle, um den möglichen Nutzen der Digitalisierung anschaulich zu machen.

  • In diesem Kapitel finden Sie die Antworten auf folgende Fragen:

  • Was versteht man unter Digitalisierung und Industrie 4.0?

  • Welche Herausforderungen bestehen für Unternehmen?

  • Welcher Nutzen kann erzielt werden?

  • Was ist eine digitale Strategie?

  • Welche Beispiele von digitalen Geschäftsmodellen gibt es?

  • 1.1 Was ist Digitalisierung und Industrie 4.0?

    Der Begriff der Digitalisierung wird unterschiedlich verwendet und interpretiert. Die Schwerpunkte und Sichten können sich von Branche zu Branche und abhängig von der digitalen Strategie eines Unternehmens durchaus unterscheiden. Von daher muss jeder für sein Unternehmen seine eigenen Inhalte und Definitionen finden und mit konkreten Anwendungsfällen für alle im Unternehmen veranschaulichen.

    Häufig findet man technologieorientierte Definitionen wie „Digitalisierung bedeutet die Nutzung digitaler Technologien, wie z. B. Big Data“, in denen die Nutzung von Technologien wie Big Data im Mittelpunkt steht. Der eigentliche Bedarf und der Kundenmehrwert rücken in den Hintergrund. Die Technik ist aber nur ein Hilfsmittel zur Zielerreichung. So ist z. B. ein Bedarf eine 360-Grad-Sicht auf die Kunden, um zielgruppengerechte Akquise, Marketing und Kundenbetreuung sicherzustellen. Grundlage können hierfür alle im Unternehmen verfügbaren Informationen bilden, die ganzheitlich integriert analysiert werden müssen. Ein anderes Beispiel ist die Optimierung des Recruiting-Prozesses, in dem aus Vergangenheitswerten Erkenntnisse für die Voraussetzungen für Erfolge gewonnen werden sollen. Big Data kann hier gegebenenfalls eine technische Lösung sein.

    Der Begriff der Digitalisierung wird unterschiedlich interpretiert. Unstrittig ist, dass bei der Digitalisierung analoge Daten in digitale umgewandelt werden. Andererseits beschreibt es die Automation von Prozessen und Geschäftsmodellen durch das Vernetzen von digitaler Technik, Informationen, Dingen und Menschen sowie die Nutzung von digitalen Technologien, wie z. B. Machine Learning oder Big Data.

    Digitalisierung und Industrie 4.0

    Digitalisierung bezeichnet den Wandel zu neuartigen, häufig disruptiven Geschäftsmodellen mittels Informations- und Kommunikationstechnik. Analoge Daten werden in digitale umgewandelt, Geschäftsprozesse flexibilisiert und automatisiert sowie Technik, Informationen, Dinge und Menschen vernetzt. Der Kunde und dessen Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt. Durch Effizienz muss der Freiraum für Innovation geschaffen werden.

    Disruption steht für den Umbruch, in dem traditionelle Geschäftsmodelle durch innovative Geschäftsmodelle abgelöst oder verdrängt werden.

    Industrie 4.0 steht für eine schnellere, effizientere und flexiblere Fabrik und smarte Produkte von morgen. Die ganze Wertschöpfungskette und der komplette Produkt-Lifecycle werden mithilfe einer sich weitestgehend selbst organisierenden Produktion optimiert. Technische Grundlage hierfür bilden intelligente und vernetzte Systeme. Maschinen, Anlagen, Produkte und Menschen kommunizieren und kooperieren direkt miteinander.

    Smarte Produkte sind intelligente und vernetzte Produkte, in denen z. B. Sensoren und Aktoren enthalten sind, über die diese selbstständig Daten erheben, analysieren, bewerten und mit anderen Produkten, Maschinen oder Menschen kommunizieren.

    In der Digitalisierung stehen der Kunde und dessen „Kundenerlebnis“ sowie Effizienzgewinne im Mittelpunkt. Das Kundenerlebnis ist die Gesamtheit der persönlichen Erfahrungen des Kunden mit dem Unternehmen oder der Marke über alle möglichen Berührungspunkte (Touchpoints). Der Kunde sammelt nicht nur beim Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung Erfahrungen mit der Marke oder dem Unternehmen, sondern schon über das Marketing, den Vertrieb und nach dem Kauf über die Wartung und den Service. So kann man dem Kunden z. B. über ein „Rundum-sorglos-Paket“ mit Wartung Arbeit abnehmen und damit ein positives Kundenerlebnis prägen. In der digitalen Transformation sind alle möglichen Kundenerlebnisse entlang der Customer Journey, dem vom Kunden zurückgelegten Weg mit dem Unternehmen wie z. B. Karrierestart oder erster eigener Wagen, einzubeziehen.

    In Bild 1.2 finden Sie als Beispiel eine Customer Journey im Kontext Automotive. Die ersten Berührungspunkte mit einem Auto und unterschiedlichen Automarken hat man als Kleinkind. Hier zählen andere Features als später. Im Bild ist hier die Unterhaltung für das Kleinkind aufgeführt. Hier wird aber schon bereits häufig ein erstes Markenbewusstsein geschaffen: „Unser Auto ist besser als das des Nachbarn oder des Vaters vom Freund.“ Dieses Markenbewusstsein und eine Loyalität dazu müssen nachhaltig weiterentwickelt werden. Im Bild ist hier das virtuelle Autorennen dargestellt. Auch in diesem Zusammenhang hilft die Markenpräsenz, um den potenziellen Käufer weiter zu binden, sodass dieser zunächst vielleicht einen gebrauchten und später einen Neuwagen kauft oder seinen Arbeitgeber dazu veranlasst, eine gewisse Marke als Firmenwagen zu leasen. Entsprechend des Lebensabschnitts verändern sich die Ansprüche und auch hier muss sich die Marke positionieren, wenn sie diese Käufer nicht verlieren will. Es geht letztendlich darum, möglichst viele positive und besondere Erlebnisse mit der Marke aufzubauen, um die Kundenbindung und resultierend die Kundenloyalität zu fördern. Der Kunde wird zum Markenbotschafter. Zudem sind Kunden bereit,...

 

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