Die digitale Transformation des Qualitätsmanagements - Potenziale nutzen, Strategien entwickeln, Qualität optimieren

Gernot Freisinger, Oliver Jöbstl, Bernd Kögler, Jürgen Lipp, Manfred Strohrmann

Die digitale Transformation des Qualitätsmanagements

Potenziale nutzen, Strategien entwickeln, Qualität optimieren

2022

464 Seiten

Format: PDF, ePUB

E-Book: €  49,99

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ISBN: 9783446468856

 

1 Welche Inhalte vermittelt dieses Buch?

Anfang der 1960er-Jahre wurden wir erstmals mit digitalen Systemen konfrontiert. Die ersten Computer waren damals etwa so groß wie überdimensionale Kühlschränke, hatten jedoch vergleichsweise verschwindend kleine Speichervolumina und befanden sich vornehmlich nur in militärischen Einrichtungen, Universitäten und Großkonzernen. Mit diesen Computern kamen damals auch nur Personen in dafür spezialisierten Berufen in Berührung, die meisten Menschen kannten sie lediglich aus Erzählungen. Seit damals gilt aber bereits das Mooresche Gesetz, das von einer Verdoppelung der Geschwindigkeit und Rechnerleistung alle zwei Jahre ausgeht. Der bahnbrechende Durchbruch gelang dann etwa Anfang/Mitte der 80er-Jahre, als der Personal Computer seine Marktreife erlangte und dadurch den Zugang zur Computertechnologie für die gesamte Menschheit ermöglichte. Mitte der 90er-Jahre hielt auch das Internet Einzug in Unternehmen und Haushalte. Dadurch digitalisierte sich zunächst unser Briefverkehr. Während 1995 noch mehr physische Post versendet wurde, drehte sich dieser Trend sehr schnell und die Kommunikation via E-Mail gewann schlagartig an Bedeutung. Das Web wuchs danach rasant und wurde dadurch auch immer unübersichtlicher für den Anwender. Der erste digitale Katalog, der Ordnung ins Chaos bringen sollte, war Yahoo!, welcher seit dem Beginn des Millenniums eine Art persönliche Zeitung im Internet zur Verfügung stellte. Nachfolgend ermöglichten YouTube und iTunes die Digitalisierung des Fernsehens und der eigenen Plattensammlung (Seemann, 2020).

Es folgte der Aufstieg der Suchmaschinen und erste soziale Bookmarking-Dienste boten von nun an eine völlig neue Form der Verarbeitung digitaler Objekte an. Es entstand daraus die Social-Media-Welt des Teilens, Likens und Kommentierens. Auf einmal fingen wir Menschen an, alle möglichen Daten in das Internet zu laden, und damit für die Öffentlichkeit bereitzustellen, selbst wenn es sich dabei um höchst private Details handelte. Und als uns schließlich ab etwa 2007 das Smartphone mit all seiner Sensorik und der Möglichkeit ständiger Online-Verbindung an das weltweite Datennetz band, wurde das Internet of Things (IoT) ins Leben gerufen. Die Zeit von Big Data, also der Verarbeitung und Auswertung enorm großer Datenmengen, begann und schnell wurde klar, dass von der zunehmenden Digitalisierung praktisch niemand verschont bleiben würde (Seemann, 2020).

Aber warum ist die Geschichte der Digitalisierung wichtig für uns und für das vorliegende Buch? Viele Digitaltechnologien, die heute State of the Art sind, haben eine weit zurückreichende Historie. So hat die künstliche Intelligenz bereits in den frühen 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts ihren Ursprung, auch wenn sie damals aufgrund der Tatsache, dass Rechner nicht leistungsstark genug waren, einigermaßen stiefmütterlich vonseiten der Wissenschaft und Wirtschaft behandelt wurde.

Nun, da das Problem der Leistungsfähigkeit gelöst wurde, können die digitalen Technologien ihr wahres Potenzial entfalten. Die Verarbeitung von Big Data per Cloud, das Internet of Things (IoT), Smart Production, intelligente Roboter und künstliche Intelligenz (KI) nehmen dadurch Einzug in unser tägliches privates und berufliches Leben. Und trotz der alltäglichen Nutzung digitaler Systeme im privaten Umfeld schürt die Fortschreitung der Digitalisierung gewisse Ängste beim Menschen, die Zeichen des bevorstehenden oder bereits realen Wandels sind. Die Entwicklung ist teilweise schleichend, manchmal jedoch fällt sie lawinenartig über uns herein. Sicher ist in jedem Fall, dass sie anhält und immer mehr in unserem Alltag zu spüren sein wird. Die zunehmende Digitalisierung wird somit jedenfalls noch eine lange Zeit richtungsweisend für unser Denken und Tun bleiben.

Was bedeutet dies für das Qualitätsmanagement? Im QM standen seit jeher die systematische Absicherung und Verbesserung der Produkt- und Prozessqualität im Fokus. Viele Firmen haben bereits in der Vergangenheit Methoden verwendet, die zu umfangreicher Steigerung der Produktqualität und Prozesseffizienz geführt haben. Dabei wurden bisher in aller Regel Methoden genutzt, die rein manuell oder mit relativ geringer Rechnerunterstützung implementiert werden konnten. Der gegenwärtige Digitalisierungsgrad in der Produktion ist teilweise bereits weit fortgeschritten, allerdings liegen diese Daten bei vielen Unternehmen weitgehend ungenutzt auf Datenservern brach. Den Entwicklungs- und Fertigungsingenieuren fehlen nämlich oftmals entsprechende Kenntnisse im Umgang mit großen Datenmengen. Um die erreichbare Grenze der Produktqualität und Fertigungseffizienz zu verschieben, ist eine umfassende Kombination von Produktverständnis, Fertigungserfahrung und Kompetenz in digitalen Technologien wie beispielsweise Machine Learning und künstlicher Intelligenz erforderlich.

Dieses Buch zeigt Einsteigern und Entscheidungsträgern auf, wie sich das Qualitätsmanagement (QM) durch die Digitalisierung wandeln kann. Es beschreibt, wie mit neuen Strategien, Methoden, Vorgehensweisen und neuen Formen der Kollaboration ein vertieftes Produkt- und Prozessverständnis generiert werden kann und welche Potenziale sich daraus für Unternehmen ergeben. Es liefert damit die Voraussetzung, sich auch bei komplexeren Produkten und dynamischen Anforderungen langfristig am Markt behaupten zu können.

Dazu liefert dieses Buch umfassende Einblicke in die folgenden Themengebiete:

       Beschreibung der aktuellen Herausforderungen und Chancen durch Digitalisierung im Umfeld des Qualitätsmanagements. Erfahrene Mitarbeitende im Qualitätsmanagement stehen plötzlich vor völlig neuen Anforderungen und werden mit einem neuen Fachvokabular konfrontiert: Was bedeuten diese Begriffe und wie können diese möglichst einfach erklärt werden?

       Praktische Anleitung und Tipps, wie digital unterstützte QM-Systeme aufzubauen sind.

       Praktikable Lösungsansätze, mit denen wir in der Lage sind, qualitätsgesichert Innovationen umzusetzen und einen messbaren Mehrwert für unsere Kunden zu generieren. Wir zeigen auf, wie beispielsweise UX, Design Thinking und agile Methoden hier hilfreich sein können und wie Qualität in softwareintensiven Systemen und Industrie 4.0-Lösungen erreicht werden kann.

       Inwieweit können die Methoden der Statistik, des Machine Learning und der künstlichen Intelligenz dazu dienen, aus Daten zu lernen, risikobasierte Entscheidungen zu treffen und in weiterer Folge Entscheidungen zu automatisieren? Dies immer vor dem Hintergrund, die Qualität zu steigern.

       Systematiken zur zielgerichteten Weiterentwicklung unserer Prozesse in Richtung digitaler Reifegrad, um deren Effektivität und Effizienz zu verbessern. Wir liefern eine Antwort auf die Frage, wie wir die Chancen von Six Sigma, künstlicher Intelligenz, Robotic Process Automation (RPA), Process Mining etc. optimal nutzen können, um Prozessverbesserungen umzusetzen und aus Fehlern zu lernen.

       Auslegung der Data-Science-Infrastruktur – wie richten wir unsere IT so aus, dass sie auf die neuen Herausforderungen im Qualitätsmanagement eingestellt ist und insbesondere durch vertikale und horizontale Vernetzung die Umsetzung digitaler und datengetriebener Use Cases unterstützen kann?

       Analyse der für die digitale Transformation notwendigen Kompetenzen im Qualitätsmanagement. Wie können wir diese bestmöglich systematisch planen und realisieren?

       Welche Strategien können bei der Einführung und Umsetzung im Unternehmen Anwendung finden? Welche sind die Erfolgsfaktoren und wie kann letzten Endes der digitale Wandel im Qualitätsmanagement gelingen?

Die Autoren haben sich lange darüber Gedanken gemacht, wie fundiertes fachliches Wissen zum Thema Digitalisierung in einer Art und Weise vermittelt werden kann, dass sich der Leser beim Studium des Buches wohl fühlt und mit Freude und Aufmerksamkeit bei dieser spannenden, aber nicht immer trivialen Thematik dabeibleiben möchte. Eines der erklärten Hauptziele ist daher, dass der Leser in der Lage ist, eine gemeinsame Sprache mit den involvierten internen Fachbereichen sowie externen Partnern in Sachen Digitalisierungsmethoden zu sprechen. Realisiert wurde daher eine strukturierte und übersichtliche Abfolge von Kapiteln, welche mit entsprechenden Beispielen begleitet werden. Ebenfalls machen wir von Zeit zu Zeit einen...

 

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