Smart Innovation durch Natural Language Processing - Mit Künstlicher Intelligenz die Wettbewerbsfähigkeit verbessern

Wilhelm Bauer, Joachim Warschat

Smart Innovation durch Natural Language Processing

Mit Künstlicher Intelligenz die Wettbewerbsfähigkeit verbessern

2021

378 Seiten

Format: ePUB

E-Book: €  69,99

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ISBN: 9783446469358

 

1 Innovation – der Motor der Wirtschaft

Wilhelm Bauer, Joachim Warschat

Der Begriff Innovation ist längst aus der Fach- in die Alltagssprache vorgedrungen, wie die Eingabe des Worts in Google zeigt: Wir finden ca. 1 150 000 000 Treffer. Wir werden mit einer unübersehbaren Fülle an innovativen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen konfrontiert. Unternehmen möchten, ja müssen, innovativ sein. Innovationen sind der Schlüssel zum Unternehmenserfolg, da kein Unternehmen, mittelständisch oder groß, langfristig wettbewerbsfähig bleibt, ohne in Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu investieren, mit dem Ziel, den Kunden zusätzlichen Nutzen zu bieten.

Die Brandeins-Veröffentlichung zur Innovation (brandeins, 2019) spiegelt das sehr gut wider. Sie ist das Ergebnis einer Metastudie in der mehr als 50 verschiedene Innovationspreise und -wettbewerbe berücksichtigt werden, unter ihnen z. B. der Deutsche Innovationspreis oder TOP 100: Die 100 innovativsten Unternehmen des Mittelstandes. Das Ergebnis sind 512 ausgezeichnete, besonders innovative Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen von A wie Automobilbau bis T wie Technologie & Telekommunikation, eingeteilt in drei Größenklassen: sehr große Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern, große Unternehmen mit 251 bis 1000 Mitarbeitern und kleine sowie mittelständische Unternehmen mit 250 und weniger Beschäftigten.

Ein Repräsentant aus der Gruppe kleiner Unternehmen ist die Firma Talentwunder aus Berlin. Das 40 Mitarbeiter große Start-up hat sich zum Ziel gesetzt, Kunden beim Auffinden von Fachkräften zu helfen. Dabei ist der Markt insbesondere an Spezialisten aus dem Bereich Digitalisierung leergefegt und neben den Etablierten wie XING oder LinkedIn zu bestehen, ist eine ziemliche Herausforderung. Talentwunder hat deshalb ein alternatives Konzept zum klassischen Recruiting entwickelt, eine Suchmaschine. Sie durchsucht ca. 75 soziale Netzwerke wie z. B. das Wissenschaftsportal ResearchGate, die für Softwarespezialisten interessanten Netzwerke Stack Overflow und GitHub, aber auch Portale für Freizeitaktivitäten wie MeetUp und selbstverständlich auch Facebook und Twitter mit zusammen 1,7 Milliarden Nutzern. Das ermöglicht ein innovatives Recruiting-Konzept, das Active Sourcing. Durch eine intensive Analyse der Kandidatenprofile und ihre Entwicklung über die Zeit werden Signale für eine Wechselwilligkeit detektiert. So kann gezielt auf aussichtsreiche Kandidaten zugegangen werden. Bisher nutzen ca. 300 Unternehmen die Dienste von Talentwunder.

Das Familienunternehmen SICK in Waldkirch ist mit seinen 9000 Mitarbeitern ein innovatives Unternehmen aus der ersten Kategorie. Gegründet vom Erfinder und Unternehmer Erwin Sick, der in den 1950er-Jahren das Lichtgitter zur sicheren Bedienung von Maschinen entwickelte, produziert es heute rund 40 000 verschiedene Sensorprodukte. Lichtschranken und Lichtgitter schützen vor Unfällen an Robotern und sichern Gebäude, wertvolle Kunstgegenstände oder lesen Barcodes und messen Schadstoffemissionen. Die Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen.

Zu Innovationen müssen die Mitarbeiter in Start-ups nicht jeden Tag motiviert werden. Das versteht sich bei jungen Unternehmen von selbst. In etablierten, erfolgreichen Unternehmen ist dies allerdings nicht unbedingt so. Hier müssen oft das „Silo-Denken“ überwunden und Innovation organisiert werden. Wie macht das SICK?

SICK hat im Jahr 2017 11 Prozent des Umsatzes, fast 170 Millionen Euro, für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Das ist eine notwendige Voraussetzung, um Ressourcen bereitstellen zu können. Aber es ist keine hinreichende Bedingung. SICK fördert gezielt den Ausbau von Netzwerken, wie beispielsweise die Implementierung einer kollaborativen Plattform, auf der projekt-, abteilungs- und länderübergreifend Wissen ausgetauscht werden kann. Hier können Ideen mitgeteilt und Dinge ausprobiert und es dürfen auch Fehler gemacht werden. Ein Prinzip, das im Silicon Valley schon lange gilt und auch zu der einen oder anderen Erfolgsstory dazugehört. Eine weitere Initiative ist die Gründung firmeninterner Start-ups. Die Teilnahme ist freiwillig, jedes Team hat ein Budget, einerseits die Unterstützung des Konzerns zu erlangen, und andererseits alle Freiheit, sein Projekt voranzubringen. Dadurch werden Kreativität, Verantwortungsbewusstsein und Selbstorganisation gefördert. Themenstellungen sind z. B. Echtzeit-Lokalisierung für Industrie 4.0, sodass Teile, Baugruppen und Produktionsmittel etc. jederzeit lokalisiert werden können.

SICK zeigt, dass auch große Unternehmen innovativ sein können, „Silo-Denken“ überwunden werden kann und neue Wege eingeschlagen werden können. Innovation ist nicht nur Start-ups vorbehalten.

Der Überblick über das Innovationsgeschehen in Deutschland zeigt, dass in vielen Bereichen Gutes geleistet wird, dass aber für manche Zukunftstechnologie wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz mehr gemacht werden muss. Hier hat man den Eindruck, dass sich schon eine Lücke zu den weltweit führenden Unternehmen in USA und China aufgetan hat. Diese Lücke zu schließen, muss das Ziel sein, da die genannten Technologiefelder Enabler für fast alle anderen Technologien und somit die Stellschrauben für die Innovationsfähigkeit sind. Das Buch fokussiert dabei auf die Künstliche Intelligenz und speziell auf Natural Language Processing, d. h. wie geht der Computer mit natürlicher Sprache um und welche Anwendungen eröffnen sich dadurch in der Praxis.

1.1 Wo stehen wir?

Die Medizintechnik ist ein gutes Beispiel für die Innovationskraft einer mittelständisch geprägten Branche; 93 Prozent der Unternehmen haben weniger als 250 Mitarbeiter. Der Branchenbericht Medizintechnologien (BVMed, 2020) belegt die hohe Dynamik in Wachstum und Wertschöpfung. So ist die Bruttowertschöpfung seit 2006 um 3,9 Milliarden Euro auf 14,7 Milliarden Euro gestiegen. Das bedeutet ein durchschnittlich jährliches Wachstum von 3,3 Prozent.

Ein wesentlicher Treiber hierfür ist die ausgeprägte Innovationsleistung der MedTech, so investieren die Unternehmen durchschnittlich 9 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Weitere Indikatoren sind der hohe Anteil an jungen Produkten, ca. ein Drittel des Umsatzes wird durch Produkte, die jünger als drei Jahre sind, erzielt. Und bei Patenten nimmt die MedTech hinter den USA Rang 2 ein. Auch die Patentanmeldungen sind beachtlich. Im Jahr 2018 wurden beim Europäischen Patentamt 13 759 Patentanträge gestellt, sodass auch bei den Anmeldungen Platz 2 hinter den USA erreicht wurde.

Der Maschinenbau, eine Kernbranche in Deutschland, steigert ebenfalls jährlich die Ausgaben für Innovationen (Bild 1.1).

Bild 1.1 Innovationsausgaben 2019 im deutschen Maschinenbau (in Anlehnung an ZEW Branchenreport 2019)

Die Innovationsausgaben umfassen Ausgaben für Projekte, die Produkt- oder Prozessinnovationen beinhalten. Im Einzelnen sind das interne und externe F&E-Aufwände, innovationsbezogene Ausgaben für Sachanlagen sowie Aufwendungen für immaterielle Wirtschaftsgüter, z. B. Software, Weiterbildung, Konstruktion etc. Der Umsatzanteil an Marktneuheiten schwankt zwischen knapp 6 und 8 Prozent, und ist damit deutlich höher als bei der deutschen Wirtschaft insgesamt (Bild 1.2).

Bild 1.2 Anteil von Maschinenbau-Unternehmen mit Marktneuheiten (in Anlehnung an ZEW Branchenreport 2019)

Besondere Beachtung findet die Automobilindustrie als Schlüsselindustrie für Deutschland. Der Automobilbau konnte die Innovationsaufwendungen von 30,6 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf 50,57 (geschätzt; Bild 1.3) im Jahr 2019 steigern. Unter den zehn Automobilherstellern mit den größten Forschungsbudgets im Jahr 2018 rangiert VW mit 15,8 Milliarden US-Dollar mit großem Abstand vor Toyota an der Spitze. Daimler folgt mit 7,1 Milliarden US-Dollar auf Platz 5 und BMW mit 5,9 Milliarden US-Dollar auf Platz 7 (Bild 1.4).

Bild 1.3 Innovationsaufwendungen der Automobilbau-Branche in Deutschland in den Jahren 2008 bis 2018 (in Anlehnung an Statista)

Bild 1.4 Automobilhersteller mit den größten Forschungsbudgets (weltweit, 2018 in Mrd. US-Dollar; in Anlehnung an Statista)

Trotz der hohen Innovationsaufwendungen müssen angesichts der Herausforderungen durch die Elektromobilität weitere Investitionen in neue Technologien gemacht werden.

Um diese insgesamt positiven Leistungen erbringen zu können, muss das Umfeld stimmen. Ein Blick in den Innovationsindikator von BDI, Fraunhofer und ZEW, der die Innovationsleistung von 35 Nationen vergleicht, zeigt ein erfreuliches Ergebnis: Deutschland ist hinter Singapur, der Schweiz und Belgien auf Rang 4 (Bild...

 

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