Operationsverstärker - Grundlagen, Schaltungen, Anwendungen

Matthias Viehmann

Operationsverstärker

Grundlagen, Schaltungen, Anwendungen

2016

265 Seiten

Format: ePUB

E-Book: €  23,99

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ISBN: 9783446451896

 

3 Anwendungen des Operationsverstärkers

Das folgende Kapitel stellt den Auftakt des Buchteils dar, welcher sich mit den Anwendungen des Operationsverstärkers befasst. Neben einigen grundsätzlichen Anmerkungen zur Applikationsvielfalt werden die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der Kühlung leistungsintensiver Schaltungen beschrieben. Darüber hinaus sind Zuverlässigkeitsbetrachtungen schaltungstechnischer Anordnungen aufgeführt.

3.1  Applikationsvielfalt

Die Tatsache, dass das Verhalten von Schaltungen mit Operationsverstärker aufgrund seiner nahezu idealen Eigenschaften überwiegend durch die äußeren Schaltungsbestandteile bestimmt wird, sorgt für eine sehr große Applikationsvielfalt. Bei seiner Beschaltung besitzt das Rückkopplungskonzept eine besondere Bedeutung. Die vollständige Darstellung der Vielfalt ist in diesem Buch nicht möglich, sodass die Kapitel 4 bis 11 lediglich häufig verwendete Applikationen behandeln. Die Einteilung der Anwendungen erfolgte dabei nach der Funktion der Schaltung. Diverse Fachbücher, siehe zum Beispiel [6] und [10], sowie Application Notes der Bauelementhersteller, beispielsweise [S1], [S6], [S8] und [S14], und die Datenblätter selbst beinhalten zahlreiche Anwendungsschaltungen.

Grundsätze bei der Beschreibung der Anwendungen in den Kapiteln 4 bis 11

  1. Sofern nicht anders erwähnt, wird der Operationsverstärker als ideales und fehlerfreies Bauelement betrachtet.

  2. Die verwendete Betriebsspannung wird nicht in jedem Fall mit aufgeführt. Wenn keine anderen Hinweise enthalten sind, erfolgt die Beschaltung mit symmetrischer Betriebsspannung.

  3. Zur besseren Übersichtlichkeit wurde in Schaltungsskizzen teilweise auf Signalquellen und Last verzichtet.

  4. Die Werte der Bauelemente R, C und L werden, sofern die Anpassung an die E-Reihen nicht gefordert ist, wie berechnet verwendet.

Die Systematik der Applikationsdarstellungen ‒ Schaltung mit wesentlicher Gesetzmäßigkeit, Herleitung der Gesetzmäßigkeit im Review, Dimensionierungsbeispiel und/oder Übung ‒ wird in einigen Kapiteln durch einen vorangestellten Überblick über das Anwendungsgebiet ergänzt. Die beispielhafte Verwendung von Schaltkreisen mit ihren Datenblättern trägt zur Praxisorientierung bei. Die Themen Verluste und Kühlung sowie Zuverlässigkeit tangieren alle Applikationen, sie werden in den folgenden Abschnitten 3.2 und 3.3 behandelt.

3.2  Kühlmaßnahmen

Der Operationsverstärker weist als halbleiterelektronisches Bauelement Verluste auf, die zu seiner Erwärmung führen und dadurch Einfluss auf seine Lebensdauer sowie auf Rauschen, Offsetspannung und Eingangsströme nehmen. Daraus resultieren die Notwendigkeit einer Verlustanalyse sowie bei Bedarf Maßnahmen zur Reduzierung der Verluste und zur Kühlung. Folgende Verlustvarianten kommen in Halbleiterbauelementen vor: Durchlassverluste, Schaltverluste, Sperrverluste, Ansteuerverluste, Stromwärmeverluste. Das Ziel der Verlustanalyse und der Maßnahmen lautet: Einhaltung der maximal zulässigen Sperrschichttemperatur ϑjmax unter allen Betriebsbedingungen.

Neben der verlustarmen Dimensionierung im Arbeitspunkt kommen in integrierten, analogen und digitalen Schaltungen folgende Maßnahmen zur Verlustreduzierung zum Einsatz (Auswahl), siehe auch Kapitel 10:

  • Nutzung der leistungsdifferenten Betriebsmodi Run, Idle, Sleep (Dynamic Power Management, DPM);

  • bedarfsorientierte Variation der Taktfrequenz (Dynamic Clock Scaling, DCS) und der Betriebsspannung (Dynamic Voltage Scaling, DVS);

  • temporäre Abschaltung des Taktsignals (Clock Gating) und/oder der Betriebsspannung (Power Gating) von unbenutzten Funktionsblöcken (Sicherung der Prozessdaten im Retention-Register);

  • Verwendung verlustarmer Bauelemente, siehe Halbleitermaterialien Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN), mit höherer Stromdichte und zulässiger Temperatur sowie Taktfrequenz;

  • Verwendung eines programmierbaren Micropower-Operationsverstärkers (Programmable Operational Amplifier), siehe Abschnitt 7.8.

Integrierte Schaltungen besitzen interne Schutzschaltungen gegen das Überschreiten der maximal zulässigen Werte der Verlustleistung PVmax, des Ausgangsstroms Iamax und der Sperrschichttemperatur ϑjmax, siehe auch Abschnitt 11.1. Folgend wird die Kühlung als Maßnahme zur Reduzierung der Sperrschichttemperatur erläutert.

Analogie thermischer und elektrischer Größen sowie Modellierung

Für die Darstellung der thermischen Verhältnisse in bzw. an einem elektronischen Bauelement lässt sich ein elektrisches Modell verwenden, basierend auf der Analogie thermischer und elektrischer Größen gemäß Tabelle 3.1.

Tabelle 3.1 Analogie thermischer und elektrischer Größen

Thermische Größe

Elektrische Größe

Größe

Einheit

Größe

Einheit

Wärmemenge W

Ws, J

Ladung Q

As, C

Wärmestrom P

W

Strom I

A

Temperaturunterschied Δϑ

K

Spannung U

V

Wärmewiderstand Rth

K/W

Widerstand R

V/A, Ω

Wärmekapazität Cth

Ws/K, J/K

Kapazität C

As/V, F

Mithilfe der Größen aus der Tabelle 3.1 lässt sich das elektrische Modell einer thermischen Anordnung mit Chip darstellen, siehe Bild 3.1.

 

Bild 3.1 Elektrisches Modell einer thermischen Anordnung mit Chip

Ausgangspunkt ist die im Chip, speziell in der Sperrschicht (Junction, j) produzierte Verlustleistung PV, welche den Wärmestrom verursacht. Es ergibt sich eine Sperrschichttemperatur ϑj. Der Wärmestrom gelangt über den Wärmewiderstand Rthjc zum Gehäuse (Case, c), welches die Gehäusetemperatur ϑc annimmt. Da im Modellbeispiel ein Kühlkörper (Heat Sink, s) enthalten ist, fließt der Wärmestrom über den Wärmewiderstand Rthcs zum Kühlkörper und anschließend über Rthsa zur Umgebung (Ambient, a), wobei sich die Temperatur ϑs des Kühlkörpers einstellt und die Umgebungstemperatur ϑa vorliegt. Die Angaben mit Relation zum Gehäuse beziehen sich auf seine Ober- oder Unterseite. Die Wärmekapazitäten Cthj, Cthc und Cths bringen das Wärmespeichervermögen zum Ausdruck und beeinflussen die Änderungsgeschwindigkeit der Temperatur, sodass daraus eine thermische Zeitkonstante τth resultiert. Für den thermischen Kreis gelten in Analogie zum elektrischen Kreis die Zusammenhänge (3.1) bis (3.3).

(3.1)

(3.2)

(3.3)

Übung 3.1: Kühlkörpertemperatur

Ein Kühlkörper mit einem Wärmewiderstand Rthsa = 1,5 K/W gibt konstant einen Wärmestrom PV = 100 W an die Umgebung ab. Dabei beträgt die Umgebungstemperatur ϑa = 30 °C. Berechnen Sie die Temperatur ϑs des Kühlkörpers!

Lösung:

Die Gleichung (3.1) ist Ausgangspunkt.

Zum Kühlkörper

Der Wärmewiderstand Rthsa des Kühlkörpers ist abhängig vom Material (Kupfer, Aluminium, aktuell auch Aluminiumoxid und Aluminiumnitrid), von der Oberflächengestaltung (eben, sternförmig, rippenförmig, geschäumt und metallisch blank, schwarz) sowie bei aktiver Kühlung (Axiallüfter, Radiallüfter, Pumpen, Membrankühler) von der Geschwindigkeit und Wärmekapazität eingesetzter Kühlmittel. Weiterhin sind zu beachten: Lage des Kühlkörpers sowie Gehäuseöffnungen zur Vermeidung von Wärmestau und für eine gute Konvektion (bei Bedarf Verwendung Kühlrippengehäuse); guter thermischer Kontakt mit dem Bauelementgehäuse (Wärmeleitpaste und -folien, große Kontaktfläche, flüssiges Lückenfüllmaterial auf Silikonbasis); geringe Oberflächenverschmutzung; Überwachung eingesetzter Lüfter und Pumpen.

Kühlkörperauswahl

Die Schrittfolge zur Auswahl eines Kühlkörpers lautet:

  • Ermittlung oder Festlegung der maximal zu erwartenden Umgebungstemperatur (Worst Case);

  • Ermittlung der maximal zulässigen Sperrschichttemperatur und Festlegung ihres Betriebswerts deutlich darunter (Wert hat Einfluss auf Lebensdauer des Bauelements);

  • Berechnung der resultierenden Temperaturdifferenz zwischen Sperrschicht und Umgebung;

  • Berechnung des Wärmewiderstands des gesamten thermischen Kreises und des notwendigen Wärmewiderstands des Kühlkörpers.

Im stationären Betrieb können die...

 

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