Die Konkubinenwirtschaft - Warum westliche Unternehmen in China scheitern und die Chinesen an die Weltspitze stürmen

Frank Sieren

Die Konkubinenwirtschaft

Warum westliche Unternehmen in China scheitern und die Chinesen an die Weltspitze stürmen

2008

281 Seiten

Format: PDF, Online Lesen

E-Book: €  15,99

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ISBN: 9783446418240

 

Mit Mann und Maus (S. 95-97)
Wie OBI an Millionen chinesischer Handwerker scheiterte
Wenn Manfred Maus vor dem Fernseher sitzt, kann er sich entspannt zurücklehnen. Der 73-Jährige mit dem vollen schlohweißen Haar hat viel erreicht. „Wer, wo, was weiß OBI" tönt es zu den Klängen des Queen-Songs „We will rock you" aus dem Fernsehlautsprecher. 98 Prozent der Deutschen kennen die Baumarktkette. OBI hat etwa 500 Märkte weltweit, ist der erfolgreichste Baumarkt Deutschlands, die Nummer zwei in Europa und der viertgrößte Baumarkt weltweit – dafür hat OBI-Gründer Maus hart gekämpft. Von 1970 bis 2001 hatte OBI 430 Geschäfte aufgebaut, vor allem in Deutschland, Österreich, Italien und Polen. Doch ein Ziel hat Maus nicht erreicht. Etwas wehmütig ist er noch immer, wenn er an China denkt. Immer mehr westliche Firmen haben in den letzten Jahren einen Standort im Reich der Mitte aufgebaut. Manager reden begeistert über die Chancen, die der riesige Wachstumsmarkt bietet.

Auch Manfred Maus hatte einst das Chinafieber: „China wird in den nächsten Jahren zum größten Markt der Welt werden", sagte der Unternehmer zu Bundeskanzler Gerhard Schröder, als die beiden durch die Reihen gefüllter Regale des ersten Schanghaier OBI-Marktes gleich gegenüber der Transrapidhaltestelle schlenderten. Das war im November 2001. Aus den Lautsprechern schallte Udo Jürgens’ „Mehr als die vier Wände, an die man die Bilder hängt". Maus fügte enthusiastisch hinzu: „Was hier geschieht, ist ohne Beispiel." Damit sollte er recht behalten. Tatsächlich war das, was im Folgenden geschah, ohne Beispiel. Mit der Expansion in den riesigen Wachstumsmarkt China hatte der Baumarkt mit dem Biber im Logo sich allerdings übernommen. Dabei schien China für den energischen Macher Manfred Maus das richtige Spielfeld.

Seine Argumente für den Markteintritt gegenüber der Tengelmann- Gruppe, die 63 Prozent an der OBI Bau- und Heimwerkermärkte GmbH &, Co. Franchise Center KG hält, waren einfach und überzeugend. Wenn OBI ohnehin schon rund 15 Prozent seiner Produkte in China kaufe und der Anteil immer stärker ansteige, könne man sie auch gleich in China verkaufen. Kunden gebe es genug. Die neue chinesische Mittelschicht erfüllt sich gerade den Traum der eigenen vier Wände, und in China ist es üblich, Wohnungen oder Häuser im Rohbau zu kaufen und den Innenausbau selbst zu übernehmen.

Auch mit konkreten Zahlen konnte Maus die Tengelmann- Gruppe für die Expansion nach China überzeugen: Schanghai zum Beispiel wuchs zu dieser Zeit um 14 Millionen Quadratmeter Wohnfläche jährlich, 200 000 Familien zogen dort jedes Jahr in neue Wohnungen – und gaben durchschnittlich etwa 6 000 Euro im Jahr für Innenausbau und Einrichtung ihrer neuen Häuser aus. Dass Maus nicht der Einzige war, der dies erkannte, fiel bei diesen beeindruckenden Zahlen nicht weiter auf. „Der Chinese kann nach 40 Jahren Kommunismus Eigentum erwerben, das motiviert die Menschen unglaublich", war er überzeugt. In Deutschland dagegen schien der Markt an seine Grenzen gekommen zu sein. „Wir müssen raus aus dem Jammertal", forderte der OBI-Gründer.

Er hatte sich den Markt gut angeguckt und wusste, dass die Chinesen in der Regel keine Heimwerker sind. Außerdem sind Wanderarbeiter aus den Provinzen so preiswert, dass es sich für die meisten nicht lohnt, den Hammer selbst in die Hand zu nehmen.

 

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