Praxis der Kautschukextrusion

Lothar Köster, Hans Perz, Georg Tsiwikis

Praxis der Kautschukextrusion

2007

217 Seiten

Format: PDF, Online Lesen

E-Book: €  69,00

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ISBN: 9783446411609

 

4 Vulkanisation ( S. 89)

4.1 Grundlagen
Unter Vulkanisation versteht man die Umwandlung des vorzugsweise plastischen Kautschuks in den elastischen Gummizustand. Diese Umwandlung erfolgt durch die Verbindung der einzelnen Kautschukmolekülketten miteinander zu einem räumlichen Netzwerk unter Zuhilfenahme von als Vulkanisationsmittel bezeichneten Fremdstoffen, die als Bindeglieder zwischen den einzelnen Molekülketten dienen.

Die Verbindung entsteht dadurch, dass die einzelnen Kautschukmoleküle instabile Doppelbindungen enthalten, die unter Temperatureinwirkung aufbrechen und an die sich die Atome des Vulkanisationsmittels anlagern können. Dieser Prozess ist abhängig von der herrschenden Temperatur und der Zeitdauer ihrer Einwirkung, d. h. je höher die Temperatur ist, umso schneller erfolgt die Vernetzung.

Das auch heute noch am häu. gsten zur Vernetzung der meisten Kautschuksorten benutzte Vulkanisationsmittel ist der Schwefel. Bei den besonders im Bereich der technischen Pro. le eingesetzten EPDM-Kautschukmischungen werden statt dessen überwiegend Peroxyde als Vulkanisationsmittel eingesetzt.

Diese können die Vulkanisationsdauer erheblich verkürzen, so dass sie besonders geeignet sind für kontinuierliche Vulkanisationsverfahren, bei denen die zur Verfügung stehende Vulkanisationszeit von der Geschwindigkeit der Extrusionslinie und von der Länge der Vulkanisationseinrichtung abhängt. Daneben gibt es für bestimmte Sonderanwendungen eine Vielzahl weiterer Vulkanisationsmittel.

Um die Reaktionsgeschwindigkeit zu erhöhen und damit die Zeitdauer der Vulkanisation zu verkürzen, werden den Kautschukmischungen weitere Fremdstoffe wie z. B. Stearinsäure als Vulkanisationsbeschleuniger und Zinkoxyd als Aktivatoren beigemengt. Die Auswahl der eingesetzten Vulkanisationsbeschleuniger und Aktivatoren sowie der Anteil an der Gesamtmischung richtet sich nach dem Vulkanisationsverfahren und dem jeweiligen Anwendungsfall. Die Gesamtheit aller am Vulkanisationsprozess beteiligten Fremd- und Zusatzstoffe wird als Vulkanisationssystem bezeichnet.

Die Vulkanisationsdauer ist so auf den Anwendungsfall abzustimmen, dass keine Bereiche über- oder untervulkanisiert sind, um Ungleichmäßigkeiten in den Produkteigenschaften zu vermeiden. Besonders bei Profilen mit unterschiedlichen Wanddicken ist darauf zu achten, dass dünnwandige Bereiche wie z. B. Dichtlippen nicht übervulkanisiert werden, während dickwandige Bereiche noch nicht hinreichend vernetzt sind.

Hierdurch würde sich nicht nur ein unterschiedliches Schrumpfverhalten ergeben, das zu Einfallstellen bzw. Verformungen und Dimensionsabweichungen führen kann, sondern es würden sich auch die physikalischen Eigenschaften des fertigen Gummipro. ls wie Flexibilität, Elastizität, Abriebeigenschaften usw. ändern.

4.2 Vulkanisationsverfahren

Die zunehmenden Anforderungen der Kunden speziell aus der Fahrzeug- und Bauindustrie an die Produkteigenschaften und die Produktqualität wie z. B. an Witterungsbeständigkeit, Geräuschdämpfung, Toleranzen und Fähigkeiten usw. führten seitens der kautschukverarbeitenden Industrie und ihrer Zulieferer zur Entwicklung einer Vielzahl individuell auf die Produktanforderungen zugeschnittenen unterschiedlichen Vulkanisationsverfahren.

4.2.1 Diskontinuierliche Vulkanisation im Druckkessel
Die Vulkanisation im Druckkessel mit Dampf als Wärmeträger und Druckerzeuger ist die ursprüngliche Art der Vulkanisation. Sie ist nicht geeignet für kontinuierliche Fertigungsprozesse, spielt jedoch immer noch eine Rolle bei der Herstellung von druckfesten Schläuchen und Kühlerschläuchen für den Kfz-Bereich, da der Zwischenraum solcher Produkte zwischen den Kautschuklagen und den Gewebeeinlagen absolut frei sein muss von Feuchtigkeit und Lufteinschlüssen.

Dieses kann nur durch entsprechenden hohen Druck bei der Vulkanisation gewährleistet werden. Wegen seines hohen Energiegehaltes ist Wasserdampf als Energieträger und Druckvermittler besonders geeignet. Durch die Kondensation des Nassdampfes bei der Wärmeabgabe ergibt sich ein sehr intensiver Wärmeübergang zum Vulkanisationsgut. Nachteilig ist lediglich, dass der für die Ausformung benötigte Druck in einem engen physikalischen Zusammenhang mit der Temperatur steht und deswegen nicht beliebig erhöht werden kann.

4.2.2 Heißluftvulkanisation

Bei der Heißluftvulkanisation hingegen wird die zur Vernetzung benötigte Wärmeenergie mittels turbulenter Heißluft über die Profiloberfläche in das Extrudat eingebracht.

 

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