Die Viren-Lüge - Die Milliardengeschäfte mit Grippe & Co.

Marita Vollborn, Vlad Georgescu

Die Viren-Lüge

Die Milliardengeschäfte mit Grippe & Co.

2011

220 Seiten

Format: ePUB

E-Book: €  12,99

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ISBN: 9783446429079

 

KAPITEL SIEBEN Vorwarnung statt Hysterie (S. 151-152)

Die Nachrichten aus Asien kommen erst tröpfchenweise, dann nimmt die Flut der gemeldeten H5N1-Infektionen beim Menschen exponenziell zu. Nach wenigen Wochen gerät die Lage außerhalb jeglicher Kontrolle – der Erreger der Vogelgrippe ist nicht nur zu einem humanen Virus mutiert. Er verbreitet sich dank globaler Reisemöglichkeiten, ohne dass Ärzte noch eingreifen können. So ähnlich könnte sich die explosionsartige Expansion einer H5N1-Seuche tatsächlich ereignen – oder doch nicht?

Sind derartige Szenarien reine Panikmache, oder entsprechen sie dem tatsächlich möglichem Worst Case? Um solche Fragen nur kurze Zeit nach Ausbruch einer Virusepidemie zu klären, setzen Fachleute seit geraumer Zeit auf einen sensationellen Trick: Anhand von Computerbugs, also eingespeisten Programmfehlern, und deren Ausbreitung in virtuellen Spielwelten sollen die kommenden Seuchen in Schach gehalten werden.

Dass vor allem Online-Rollenspiele zum Tool für Mediziner avancieren, zeigten amerikanische Forscher unlängst im Fachblatt The Lancet Infectious Diseases mit ihrer viel beachteten Publikation „The Untapped Potential of Virtual Game Worlds to Shed Light on Real World Epidemics“. Virtuelle Welten bieten das, was die Realität erst im Horrorfall zutage bringt: Millionen von Usern, die sich anstecken lassen – hier natürlich vollkommen gefahrlos.

Zwar gibt es für Epidemiologen aufwendige Simulationsprogramme, mit deren Hilfe der Verlauf einer Seuche prognostiziert werden kann. Diese sind im Vergleich zu den virtuellen Welten aber nicht in der Lage, das soziale Verhalten der Menschen vorauszusehen. In der virtuellen Realität hingegen tummeln sich User, etwa bei Second Life, und legen alltagsähnliches Verhalten an den Tag: Bei Second Life interagieren sie mit anderen, lieben, küssen, konsumieren und verreisen wie im realen Leben. Das sind auch jene Eigenschaften, die Seuchen im realen Dasein zum Durchbruch verhelfen. Damit sind Computer-Games ein Segen für die Prognosen von Epidemiologen.

„Indem wir diese Spiele als unberührtes, experimentelles Bezugssystem nutzen, könnten wir vielleicht einen tieferen Einblick in die unglaubliche Komplexität der Epidemiologie ansteckender Krankheiten in sozialen Gruppen erhalten“, erklärten dazu Nina Fefferman von der Tufts School of Medicine in Boston und ihr Kollege Eric Lofgren gegenüber dem Computerfachblatt c’t. Tatsächlich sind sogenannte Massively Multiplayer Online Role-Playing Games (MMORPGs), zu denen das bekannte Spiel World of Warcraft zählt, in dem Spieler Städte, Infrastruktur und ganze Welten erschaffen, eine globale Drehscheibe für die potenzielle Seuchenverbreitung. Der Clou: In World of Warcraft auftretende Programmfehler nehmen jenen Verlauf, den auch echte Seuchen im real existierenden Leben favorisieren – weil die Spieler online ebenso nachlässig agieren, wie sie es im Alltag tun.

 

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