Praxiswissen Digitale Transformation - Den Wandel verstehen, Lösungen entwickeln, Wertschöpfung steigern

Ernest Wallmüller

Praxiswissen Digitale Transformation

Den Wandel verstehen, Lösungen entwickeln, Wertschöpfung steigern

2017

256 Seiten

Format: PDF

E-Book: €  29,99

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ISBN: 9783446455436

 

Einleitung

Unser Alltag, unsere Arbeit und unsere Gesellschaft werden durch das Internet bzw. das Smartphone maßgeblich beeinflusst. Dies merken Sie am stärksten, wenn Ihr Internetanschluss für ein oder zwei Tage nicht funktioniert oder Ihr Smartphone verloren geht. Vor ca. 25 Jahren ging die erste Website online – dies könnte man auch als Urknall der digitalen Evolution bezeichnen. Tim Berners-Lee hatte damals am CERN die Aufgabe, die elektronische Datenübermittlung zu implementieren. Er hatte die Vision eines weltweiten Informationsnetzes – eine revolutionäre Idee, deren Auswirkungen niemand hatte vorhersehen können.

Unternehmen müssen sich dieser Entwicklung stellen, ihre Geschäftsmodelle, ihre Strukturen, ihr gesamtes Arbeiten hinsichtlich der digitalen Transformation ausrichten.

Ausgangs- und Orientierungspunkt: Silicon Valley

Nirgendwo sonst auf der Welt schießen so viele Start-ups aus dem Boden wie im Silicon Valley, einem der bedeutendsten Standorte der IT- und Hightech-Industrie weltweit. Es ist der südliche Teil der Metropolenregion um die Städte San Francisco und San José – die San Francisco Bay Area. Die ganze Region ist rund 70 Kilometer lang und 30 Kilometer breit. Auf einer Fläche von 2100 Quadratkilometern leben drei Millionen Einwohner – rund 40 Prozent der Einwohner sind Ausländer. Geschäftsleute, Ingenieure, Techniker, Erfinder und Genies kommen aus der ganzen Welt hier zusammen, um ihr Projekt voranzutreiben und einen Investor zu finden. Zu den bekanntesten Unternehmen der Bay Area zählen heute unter anderem Apple, Adobe, Amazon, AMD, Cisco, Dell, eBay, Facebook, Google, Hewlett-Packard, Intel, Oracle, Symantec, Yahoo, Tesla und Uber.

Nirgendwo sonst ist die Anziehungskraft für Techniker und Erfinder so groß, nirgendwo sonst sind die Innovationsdichte und Vernetzung so stark. Das Silicon Valley und die darin beheimatete Wirtschaft sind ein guter Ausgangspunkt, um die Digitalisierungswelle zu begreifen und die nötigen Schlussfolgerungen für unsere heutige Gesellschaft zu ziehen. Was sind die wesentlichen Faktoren, die die Digitalisierung bzw. die digitale Transformation treiben? Es sind dies:

  • innovative Ausbildungs- und Forschungsstätten,

  • eine proaktive Risikokultur,

  • funktionierende Netzwerke von Stakeholdern und

  • eine geeignete Finanzierung.

Sie sind die wesentlichen Voraussetzungen und Treiber der digitalen Transformation.

Innovative Ausbildungs- und Forschungsstätten

In Europa finden wir vielerorts eine nicht sehr ausgeprägte Innovationskultur vor. Im Gegensatz dazu gibt es in Kalifornien zahlreiche Schulen und Universitäten, die z. B. wie Stanford, San Jose State University, Carnegie Mellon University West oder University of California, Berkeley konsequent auf Innovation und Gründertum setzen und die besten Talente weltweit anziehen.

Nehmen wir nur das Beispiel der Universität Stanford. Die Leland Stanford Junior University (kurz Stanford University oder Spitzname „Die Farm“) ist eine private US-amerikanische Universität in Stanford, Kalifornien. Sie liegt etwa 60 Kilometer südöstlich von San Francisco in der Nähe von Palo Alto und wurde von Leland Stanford und seiner Ehefrau Jane Stanford im Jahr 1891 im Andenken an ihren früh verstorbenen, einzigen Sohn gegründet. Derzeit sind 15.723 Studenten an der Universität eingeschrieben und studieren an einer der sieben Fakultäten.

Die Stanford University ist eine der forschungsstärksten und renommiertesten Universitäten der Welt. Seit ihrer Gründung wurden 30 Lehrkräfte mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Die Universität hat mehr Turing-Award-Gewinner („Nobelpreis für Informatik“) als jede andere Einrichtung weltweit und aktuell 21 Nobelpreisträger, vier Pulitzerpreisträger und 24 MacArthur-Fellows. In verschiedenen Bewertungen für akademische Institutionen erreicht die Universität regelmäßig Spitzenpositionen.

Stanford liegt in unmittelbarer Nähe zum Silicon Valley und gilt als entscheidender Wachstumsfaktor der Region. Die Universität hat viele Gründer von bekannten IT-Unternehmen, z. B. Google, Yahoo, Hewlett-Packard, Cisco Systems, hervorgebracht und fördert bei ihren Studenten und Lehrkräften eine ausgeprägte Kultur des innovativen Unternehmertums.

Stanford ist mit einem Stiftungsvermögen von etwa 18 Milliarden Dollar eine der reichsten Hochschulen der Welt. Seit 2008 erhebt Stanford keine Studiengebühren (tuition fees) mehr bei undergraduate students, deren Eltern weniger als 100.000 US-Dollar im Jahr verdienen. Damit kann rund ein Drittel aller Bachelorstudenten gebührenfrei studieren.

Die Stanford University genießt in sämtlichen Fachrichtungen einen exzellenten Ruf in der Forschung und Lehre und gilt als eine der weltweit führenden Hochschulen. Beachtung findet in diesem Zusammenhang oft die gute persönliche Betreuungssituation für Studenten durch Professoren, da auf rund acht Studenten ein Lehrender kommt. Zudem haben 75 % der Kurse weniger als 20 Studenten. Von den undergraduate-Kursen haben sogar 36 % Klassengrößen von zwei bis neun Studenten. Auch aus diesem Grund wird Stanford sowohl von Studenten als auch Eltern häufig als „dream college“ genannt, wie eine Umfrage des Princeton Review 2010 ergab.

In Deutschland gibt es nach Angaben des Stifterverbandes 3,5 Millionen Unternehmen, jedoch weniger als ein Prozent von ihnen forscht – obwohl dieser kleinen Zahl eine extrem hohe Bedeutung zukommt –, denn nur wer forscht, kann Neues entdecken, Innovation und Wachstum schaffen. Forschende Unternehmen wirken aktiv auf die Zukunftsfähigkeit des Landes ein.

Proaktive Risikokultur

Voraussetzung für die Digitalisierungswelle, die derzeit über uns hereinbricht, ist die Risikobereitschaft von Innovatoren. Nicht das Scheitern ist die Voraussetzung des Erfolgs, sondern die bewusste Inkaufnahme desselben und, daraus abgeleitet, der „positive“ Umgang damit, nachdem es dann passiert ist – also daraus lernen, nicht entmutigt werden. Das ist natürlich nicht neu. Der Turbo-Erfinder Thomas Edison hatte als Ziel, jeden Monat eine vermarktbare Erfindung zu tätigen, aber nicht alles war dann wirklich erfolgreich (wenn auch erstaunlich vieles).

Wirklich neue Geschäftsideen entstehen nicht in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Firmen. Sie kommen von Erfindern und Tüftlern, die oft eine Hochschulausbildung abgebrochen haben und zunächst ohne jede finanzielle Absicherung ihre Idee durchsetzen wollen. Steve Jobs, Bill Gates und Elon Musk gehören zu diesen Unternehmern. Sie hatten Erfolg. Doch Tausende andere scheitern, und die meisten für immer. Von ihnen ist nie die Rede.

Teil dieser Risikokultur ist es deshalb, eine Idee eher zu früh als zu spät umzusetzen. Der Feind jeder Innovation ist, eine Idee zu lange durchzudenken, anstatt sie auszuprobieren. Der aktuelle Trend besteht darin, dass Unternehmer nicht ein Start-up nach dem anderen gründen, sondern parallel mehrere Projekte vorantreiben. Dahinter steckt die Idee, dass die Summe aller Ideen zum Erfolg führen soll und dass Rückschläge dazugehören. Eines der Geheimnisse des Silicon Valley ist die Erlaubnis zum Scheitern. Rund 1.000 Neugründungen pro Jahr gibt es im Valley – ca. ein Start-up von 100 ist sehr erfolgreich.

Funktionierende Netzwerke von Stakeholdern

Getrieben wird das Silicon Valley durch ein einmalig dichtes Netzwerk von Beratern, Investoren und Forschern. Dieses Netzwerk kann kaum kopiert oder übernommen werden, weil es informell ist und sich in immer neue Richtungen verschiebt. Start-ups sind oft Experimente und noch keine Unternehmen im herkömmlichen Sinn. Wenn sie sich zu früh festlegen, dann scheitern sie. Zu erklären ist die Durchlässigkeit an Ideen auch aus sozialer Sicht. Mehr als die Hälfte aller Start-ups werden von überwiegend aus Asien zugezogenen Unternehmern gegründet. Sie kommen ohne Geld, aber mit hohen Erwartungen und enormer Einsatzbereitschaft, die selbst die Amerikaner oft überfordert.

Geeignete Finanzierung

Das Silicon Valley lebt von Venture-Capital-Firmen. Und das befreit Start-ups vom oft harten Diktat der Banken. Venture-Capital-Firmen vergeben ihre Gelder meist in fünf Phasen, beginnend bei ein bis drei Millionen. Die erste Phase der Investition ist am risikoreichsten, dafür aber verhältnismäßig am günstigsten. Ziel der Start-ups ist es daher, regelmäßig Gelder zu erhalten und somit die nächste Phase der Investition zu erreichen.

Seit etwa fünf Jahren kommt eine zusätzliche Finanzierungsquelle durch „Business Angels“ hinzu. Dies sind Unternehmer, die Erfolg hatten und einen Teil ihrer Gewinne für die Projekte des Nachwuchses einsetzen. Das echte Problem liegt aber in der späteren Finanzierung zwischen Start-up und Marktreife. In dieser Phase geben oft viele Investoren auf. Die Banken sind meist nicht gewillt, in diese Lücke zu springen. Vielmehr braucht es auch private Mittel.

Ein Beispiel für privaten Kapitaleinsatz war die Rettung der Schweizer Uhrenindustrie vor ca. 30 Jahren, als eine Gruppe privater Investoren den...

 

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