Hybridfahrzeuge - Getriebetechnologie an Beispielen

Werner Klement

Hybridfahrzeuge

Getriebetechnologie an Beispielen

2017

186 Seiten

Format: PDF, ePUB, Online Lesen

E-Book: €  22,99

E-Book kaufen

E-Book kaufen

ISBN: 9783446436251

 

1 Definition Hybridfahrzeug
1.1  Funktionsumfang

Bereits im Jahr 2003 beschäftigten sich die Vereinten Nationen mit dem Thema Hybridfahrzeuge und legten folgende Definition fest:

„Ein ‚Hybridfahrzeug‘ bezeichnet ein Fahrzeug, in dem mindestens zwei Energieumwandler und zwei Energiespeichersysteme (im Fahrzeug eingebaut) vorhanden sind, um das Fahrzeug anzutreiben.“

Demnach ist ein Hybridfahrzeug ein System aus mindestens einem Verbrennungsmotor und E-Motor sowie Tank und elektrischem Speicher.

Konfiguriert man zum Beispiel eine Brennstoffzelle mit einem Wasserstofftank und einer zusätzlichen Speicherbatterie, wird die Definition fraglich, da zum Antreiben nur eine E-Maschine benötigt wird. Die Brennstoffzelle erzeugt keine mechanische Energie und kann daher kein Fahrzeug antreiben. Das Gleiche gilt beim Einsatz eines Solarkollektors. Hier haben wir nur einen Energiespeicher (Batterie). Man sieht: Die Definition beschreibt nur den klassischen Hybrid mit Verbrennungsmotor und flüssigen bzw. gasförmigen Kohlenwasserstoffen als Energieträger, die durch eine exotherme Reaktion mechanische Energie erzeugen, sowie den E-Antrieb mit einer Speichermöglichkeit für elektrische Ladung.

Weitere denkbare Hybridvariationen mit anderen Speichermedien, wie durch Druck (Gasspeicher) oder kinetische Energie (Schwungrad), sind theoretisch denkbar, spielen aber derzeit keine Rolle bei den Anwendungen. Neben dem Antrieb mit Verbrennungsmotor hat sich der E-Motor als zweite Antriebsquelle auf breiter Front durchgesetzt, sodass jede andere Energieart sich erst separat beweisen muss, bevor eine Hybridanwendung sinnvoll ist. Daher wird der Schwerpunkt auf die möglichen Kombinationen von Verbrennungsmotor und E-Antrieben gelegt. Wichtig ist dabei der Funktionsumfang, der sich als zusätzlicher Vorteil ergibt. Zum Thema Verbrennungsmotoren und elektrische Maschinen gibt es ausreichend Literatur; daher erübrigt sich eine weitere Beschreibung dieser Komponenten. In diesem Buch wird deshalb auf die Möglichkeit des Zusammenspiels bei der Hybridisierung und den damit verbundenen Anforderungen sowie den dadurch erzielbaren Nutzen eingegangen.

Der Begriff „Hybrid“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet etwas „Gekreuztes, Gemischtes oder Gebündeltes“. Beim Fahrzeug versteht man inzwischen alle Kombinationen mit einem E-Antrieb und einem Verbrennungsmotor als Hybrid, völlig unabhängig von der Aggregateanordnung oder dem Funktionsumfang. Dazu werden noch Begriffe wie Mildhybrid, Fullhybrid und Plug-in-Hybrid benutzt. Dies macht eine Definition und die Beschreibung kompliziert. Entscheidend sind die Funktionen und technischen Werte eines Fahrzeuges. Wie gut diese erfüllt werden, ist für den Betreiber und auch den Hersteller eine ganz wichtige Frage. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die Hybridisierung eines Fahrzeuges anhand der Funktionen zu beschreiben und die möglichen Kombinationen bezüglich ihrer Effizienz zu bewerten.

Folgende zusätzliche Funktionen können bei Hybridfahrzeugen im Vergleich zu konventionellen Kraftfahrzeugen vorhanden sein.

1.1.1  Start-Stopp-System

Inzwischen werden bei vielen Fahrzeugen Start-Stopp-Systeme serienmäßig angeboten, denn alle Fahrzeuge haben mit dem elektrischen Starter und der Batterie bereits einen Hybridanteil. Hinsichtlich der Umsetzung gibt es aber Unterschiede. Ein entscheidender Punkt ist die Zeit bis zur Leistungsabgabe des Motors, ausgehend vom Fahrerwunsch. Gerade im Stadtverkehr ‒ nur da macht ein „Abschalten“ des Verbrennungsmotors zur Reduzierung des Verbrauches und auch der Umweltbelastung Sinn ‒ ist es für die Akzeptanz ganz entscheidend, dass bei Betätigung des Fahrpedals eine spontane Leistungsabgabe erfolgt. Das vielfach propagierte Abstellen von Hand und Wiederanlassen des Motors wurde deswegen nicht praktiziert, weil es zu umständlich ist und man vor allem beim Losfahren zu lange Zeit benötigt. Für die Akzeptanz muss ein solches System abhängig von äußeren Steuergrößen wie Fahrpedalstellung null, Geschwindigkeit kleiner als eine vorgegebene sicher messbare Grenzgeschwindigkeit, Betriebstemperaturen der wichtigsten Aggregate und einem Bremssignal automatisch den Verbrennungsmotor abstellen und vor allem schnell wieder anlassen.

Der entscheidende Unterschied zwischen einem konventionellen Anlasser und einem Hybridsystem liegt in der Größe der E-Maschine. Normale Starter haben im Pkw eine Leistung von ca. 1 kW. Bei einem 12-Volt-Bordnetz treten dabei bereits Ströme von 100 A auf. Der entscheidende Unterschied für einen Hybrid ist die Existenz eines zweiten Spannungsnetzes mit deutlich höherer Spannung. Letztlich ist das ISAD-System mit 42 V nie zum Einsatz gekommen, da ein zweiter Spannungskreis im Fahrzeug erforderlich gewesen wäre. ISAD ist eine Entwicklung der Continental AG und das erste Start-Stopp-System. Der Begriff steht für „Integrierter Starter Alternator Damper“.

Die Einsparung beim Start-Stopp-System ist abhängig von der Betriebsphase und logischerweise im Stadtverkehr am höchsten. Im NEFZ (Neuer europäischer Fahrzyklus) wird je nach Fahrzeug und abhängig vom Getriebetyp ein Potenzial von bis zu 4 % gemessen. Für den Test sind verschiedene Randbedingungen wie z. B. Starttemperatur der Fahrzeugaggregate vorgegeben. Die Einsparung ist in der Realität bei entsprechenden Temperaturverhältnissen und Fahrzyklen nur bedingt erreichbar.

1.1.2  Boosten

Eine negative Eigenschaft des Verbrennungsmotors ist, bei Drehzahl null keine Leistung und auch kein Drehmoment abzugeben. Nachdem jedes Fahrzeug bei Geschwindigkeit null startet, benötigt man mindestens einen Drehzahlwandler zum Anfahren. Ein E-Motor hat hier ganz andere Möglichkeiten und stellt bereits bei Drehzahl null ein Drehmoment am Abtrieb zur Verfügung.

Vor allem die heute in Serie gebauten Motoren mit Abgasturbolader müssen zunächst einen Abgasstrom erzeugen, der eine Turbine antreibt, die wiederum über ein Schaufelrad Luft verdichtet und so eine bessere Füllung der Verbrennungsräume bewirkt. Daher haben alle diese Motoren wenig Drehmoment beim Hochlaufen, und man spricht vom Turboloch. Bei einer Hybridlösung kann nun der E-Motor kurzzeitig ‒ es geht da um wenige Sekunden ‒ den Vortrieb übernehmen und damit eine wesentlich bessere Agilität des Fahrzeuges erreichen. Das Zusammenwirken von elektrischem Motor und dem Verbrennungsmotor nennt man „Boosten. Hierbei geht es weniger um die Einsparung von Kraftstoff als vor allem um eine Verbesserung der Agilität des Fahrzeuges. Eine Reduzierung des Kraftstoffverbrauches ist nur dann gegeben, wenn die benötigte elektrische Energie durch Rekuperation oder durch Lastpunktverschiebung erzeugt wurde.

Wenn man nun die Funktion Start/Stopp und die Funktion Boosten zusammen nimmt, dann ergibt sich beim Hybrid ein elektrisches Anfahren. Die E-Maschine kann das bestehende Anfahrelement ersetzen. Dies hätte Vorteile beim Verschleiß und bei den Kosten, da kein zusätzliches Anfahrelement mehr benötigt wird.

1.1.3  Rekuperation

Unter Rekuperation versteht man eine Energierückgewinnung. Wie man im Kapitel 2 sehen kann, wird ein großer Teil der Energie als kinetische Energie im Fahrzeug gespeichert. Hier spielt die Masse des Fahrzeuges eine ganz wichtige Größe. Beim Abbremsen wird die kinetische Energie der bewegten Masse in Wärme umgewandelt und diese Energie ist damit nicht mehr technisch nutzbar. Eines der Hauptargumente für einen Hybrid mit E-Maschine bzw. E-Maschinen ist die Möglichkeit der Rekuperation. Beim Bremsen wird die E-Maschine als Generator geschaltet und nimmt so mechanische Leistung auf, um diese in einer Batterie oder in anderen Speichermedien elektrisch nutzbar zu speichern. Dies klingt logisch und einleuchtend, hat aber das Problem, dass kurzzeitig sehr große Leistungen aufgenommen werden müssen und diese auch noch in den Speicher zu leiten sind. Es handelt sich dabei in erster Linie um eine Leistungsfrage der beteiligten Bauteile. Beim Bremsen entstehen bei allen Fahrzeugen kurzzeitig sehr große Leistungen, welche große E-Maschinen erfordern würden. Bedingt durch die damit verbundenen Massen und in der Folge auch Kosten macht dies keinen Sinn. Die rekuperierte Leistung ist in der Regel nur ein Teil der anfallenden Bremsleistung.

1.1.4  Elektrisch Fahren

Spricht man von einem autarken Hybridsystem, so ist das elektrische Fahren ein idealer Zustand, weil dabei kein Kraftstoff verbraucht wird. Die elektrische Ladung muss aber vorher erzeugt und gespeichert werden. Dies kann nun entweder bei der Rekuperation ‒ dann bekommt man diese quasi umsonst ‒ oder durch den Verbrennungsmotor geschehen. Hierbei sind die Betriebsstrategie und der spezifische Verbrauch des Verbrennungsmotors für den notwendigen Energieaufwand entscheidend.

Beim „Plug-in-Hybrid“ muss die Energie vorher „getankt“ werden. Daher ist dieser Zustand vergleichbar dem eines E-Fahrzeuges. Ein Unterschied kann je nach Aufbau durch die mechanischen Komponenten vorhanden sein. Moderne Plug-In-Hybride nutzen alle Möglichkeiten und laden beim Bremsen und über den Verbrennungsmotor den elektrischen Speicher, um dann rein elektrisch fahren zu können. Der Vorteil der Hybridfahrzeuge gegenüber E-Fahrzeugen ist die deutlich höhere Reichweite (ohne zu „tanken“). Diese entspricht den gewohnten Erfahrungswerten.

1.1.5  Lastpunktanhebung des...

 

© 2009-2024 ciando GmbH