Technisches Schreiben

Peter Rechenberg

Technisches Schreiben

2006

254 Seiten

Format: PDF, Online Lesen

E-Book: €  15,99

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ISBN: 9783446409576

 

"3 Einfachheit (S.51)

Alles Entbehrliche wirkt nachteilig. Das Gesetz der Einfachheit und Naivität, da diese sich auch mit dem Erhabensten verträgt, gilt für alle schönen Künste.

Schopenhauer: Über Schriftstellerei und Stil

Man gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge: aber sie machen es umgekehrt.

Schopenhauer (zitiert nach Reiners)

Einfachheit ist mit Klarheit und Kürze eng verbunden, denn einen Sachverhalt klar und kurz beschreiben, heißt auch, ihn so einfach wie möglich beschreiben, mit einfachen Worten und einfach gebauten, unverschachtelten Sätzen. So führt das Streben nach Klarheit und Kürze von allein auf Einfachheit. Damit ist nicht gemeint, daß sich alles einfach darstellen ließe, sondern so einfach zu schreiben wie der Gegenstand es erlaubt, nicht einfacher, das heißt: nicht vereinfachend.

Nun kann man sich fragen, warum so wenige Leute einfach schreiben, warum unsere Gebrauchsprosa voll ist von langatmigen, schwer verständlichen, von Fachbegriffen überbordenden Werken, angefangen beim Schulaufsatz, fortgesetzt in Diplomarbeit und Fachaufsatz, endend beim Buch.Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen: Der Verfasser hat nichts zu sagen, möchte oder muß aber etwas zu Papier bringen, er möchte sich einen wissenschaftlichen Anstrich geben, er möchte geistreich sein, er möchte „flott"" und aktuell schreiben, er folgt schlechten Vorbildern oder Moden. Mancher ist auch ehrgeizig und möchte seinen eigenen Stil entwickeln, an dem man ihn erkennt, und sich dadurch von anderen unterscheiden. Das geht meistens schief.

Auf lange Sicht ist das Gegenteil besser: Wer seinen Ehrgeiz zurückstellt, auf einen persönlichen Stil verzichtet und nur der Sache zu dienen versucht, wird sich bald ohne sein Zutun von der Masse der technischen Schreiber unterscheiden. Wie bei den drei „K"" läßt sich auch das Ringen um Einfachheit am besten durch Beispiele zeigen. Ich gliedere sie nach den Gesichtspunkten Satzbau, Wortwahl und Schaumschlägerei.

3.1 Satzbau

Gliederungsprinzip für Sätze und Absätze sollte sein, daß ein Satz einen Gedanken ausdrückt, ein Absatz eine Folge eng zusammenhängender Gedanken. Preßt man mehrere Gedanken in einen Satz, wird er lang und unübersichtlich. Zerhackt man einen Gedanken und verteilt ihn auf mehrere Sätze, erzeugt man Gedankentrümmer, aus denen sich der Leser erst die vollständigen Gedanken zusammensetzen muß. Zu lange Sätze Die deutsche Sprache ermöglicht außerordentlich lange und kompliziert gebaute Sätze, ja sie ermöglicht sie nicht nur, sondern lädt zu ihrer Konstruktion geradezu ein. Das zeigen nicht nur juristische und amtliche Schreiben, sondern auch die Werke der technischen Literatur.

Es gibt den einfachen Satz und den zusammengesetzten, der aus einem oder mehreren aneinandergereihten Hauptsätzen besteht, von denen wiederum jeder ein oder mehrere Nebensätze als seine Trabanten enthalten kann und diese entweder gleichrangig aneinandergereiht (Nebensätze 1. Grades) oder anderen untergeordnet sein können (Nebensätze 2., 3., … Grades), womit sich äußerst komplizierte Strukturen – sogenannte Perioden oder Schachtelsätze – erzeugen lassen, auf die ihre Autoren stolz sein können, denn dadurch, daß sie solche Bandwurmsätze zustande bringen, ohne sich in den Netzen der Grammatik zu verfangen, zeigen sie, wie meisterlich sie die Sprache beherrschen.

Der vorhergehende Satz ist so eine Periode, er besteht aus 90 Wörtern, und man muß ihn sicherlich zwei oder dreimal lesen, bis man ihn verstanden hat."

 

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