Optiktechnologie - Grundlagen, Verfahren, Anwendungen, Beispiele

Jens Bliedtner, Günter Gräfe

Optiktechnologie

Grundlagen, Verfahren, Anwendungen, Beispiele

2010

423 Seiten

Format: PDF, Online Lesen

E-Book: €  31,99

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ISBN: 9783446424661

 

5 Urformen von optischem Glas (S. 75-76)

Urformende Verfahren stehen am Anfang des Wertschöpfungsprozesses und sind die Voraussetzung für den Einsatz aller übrigen Fertigungsverfahren. Hierbei steht das Ziel, einem formlosen Stoff erstmals eine Gestalt zu geben. I. d. R. werden identische Verfahrensschritte genutzt, um den Prozess des Urformens durchzuführen. Beginnend mit der Rohstoffgewinnung schließt sich der Verfahrensschritt Aufbereitung der Rohstoffe an. Das Einfüllen in Formen oder die quasi endlose Formgebung des Ausgangsmateriales führt über einen Abkühlprozess zum Erreichen eines festen Aggregatzustandes des urgeformten Produktes. Es schließt sich eine letzte Prozessstufe, die Entnahme oder Konditionierung des Erzeugnisses, an.

Urformen ist das Fertigen eines festen Körpers aus einem formlosen Stoff durch Schaffen eines Stoffzusammenhaltes. Als formlose Stoffe werden Gase, Flüssigkeiten, Pulver, Fasern oder Granulate verwendet (DIN ISO 8580).

Die entstehenden Urformerzeugnisse können generell in zwei Gruppen unterteilt werden:

1. Die urgeformten Erzeugnisse sind Zwischenprodukte (Halbzeuge) und werden mit weiteren Fertigungsverfahren endbearbeitet, wobei sich Größe und Form ändern.
2. Die urgeformten Erzeugnisse sind Endprodukte bzw. endformnahe Produkte, wobei keine bzw. geringe weitere Arbeitschritte zur Fertigstellung erforderlich sind.

Tendenziell werden kurze Prozesswege von den Ausgangszuständen zum Endprodukt angestrebt. Besondere Prozesseffizienz ist möglich, wenn Verfahrensschritte substituiert werden können. Somit bestehen hohe Qualitätsanforderungen an die urformenden Verfahren, um möglichst auf direktem Weg zum Endprodukt zu gelangen (z. B. Spritzgießen oder Blankpressen). Bei der Herstellung von Bauteilen mit großen Stückzahlen kommt es in erster Linie darauf an, Halbzeuge (Presslinge etc.) bei jedem Bearbeitungsschritt mit hoher Formtreue bei minimalem Aufmaß zu fertigen, um einerseits eine optimale Materialausnutzung zu gewährleisten und andererseits die Folgeprozesse effizient zu gestalten.

Im Ergebnis der Glasschmelze stehen seitens der Glashersteller verschiedene Lieferformen für eine weitere Verarbeitung zur Verfügung:

1. Rohglas (z. B. Barrenglas, Profilstäbe)
2. Halbzeuge (z. B. Plattenglas, Flachglas, Blockglas, Presslinge, Gobs)
3. Rohlinge mit vorbzw. angearbeiteten Flächen (z. B. Linsen, Spiegel, Prismen).

Sehr wirtschaftlich werden dabei bspw. direkt aus der Schmelze Halbzeuge auf Rundtaktautomaten gepresst (z. B. Brillenglasoder Fernglaslinsen). In der Regel müssen einfach optisch gepresste Gläser (insbesondere die optischen Funktionsflächen) aufgrund der nach dem Pressvorgang vorhandenen Rauigkeiten und Formabweichungen noch weiter bearbeitet werden. Im Unterschied hierzu können mittels Spritzgießens optische Bauelemente mit einem hohen Fertigstellgrad direkt durch das Urformen hergestellt werden. Hohe Genauigkeiten können auch beim Gießen von Kunststoffen in Glasformen erzielt werden, da die Werkzeugoberflächen aus Glas mit sehr hohen Genauigkeiten hergestellt werden.

5.1 Urformende Verfahren für mineralische Gläser

5.1.1 Herstellung von Gobs und Presslingen

Gobs (engl. Glasposten/Tropfen) sind vorgeformte Glastropfen mit mindestens einer blanken Seite. Sie werden durch Abtropfen direkt aus der Glasschmelze hergestellt und reduzieren den Materialeinsatz in der Heißformgebung und in den anschließenden Bearbeitungsstufen auf ein Minimum. Aus Gründen des nachfolgenden Umformprozesses werden Gobs nur fürGläser mit niedrigem Erweichungspunkt gefertigt. Im kontinuierlichen Prozess wird die Glasschmelze direkt aus dem Auslauf über einen Stutzen gefördert. Durch die Schwerkraft des austretenden Schmelzvolumens bewegt sich die zähe Glasmasse vertikal in Richtung einer planen Unterlage.

 

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