Projektleitung - Alle Rollen souverän meistern

Frank Lüschow, Elke Zitzke

Projektleitung

Alle Rollen souverän meistern

2004

301 Seiten

Format: PDF, Online Lesen

E-Book: €  19,99

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ISBN: 9783446401181

 

6 Ansprechpartner für jeden: Der Projektleiter als Coach (S. 163-164)

„Wessen wir am meisten im Leben bedürfen, ist jemand, der uns dazu bringt, das zu tun, wozu wir fähig sind."´

Ralph Waldo Emerson (1803–1882)

In der Rolle als Coach sind die Aktivitäten des Projektleiters zusammengefasst, die er im Hinblick auf einzelne Teammitglieder unternehmen muss. Die Notwendigkeit zum Coaching ergibt sich daraus, dass in einem Projektteam Menschen mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen und Dispositionen zusammenkommen und zusammen „funktionieren" müssen. Die Rolle des Coachs ist die Aufforderung an den Projektleiter, die Einzigartigkeit jedes seiner Teammitglieder zu beachten.

Als Coach wird der Projektleiter immer dann tätig, wenn Fragen im Mittelpunkt stehen, die nicht im ganzen Team besprochen werden sollen oder können. Entweder geht es um sehr spezielle Aspekte, die nur den einzelnen Mitarbeiter angehen, oder es geht um personenbezogene Themen, die nicht in der Teamöffentlichkeit besprochen werden sollen. Zwei Gruppen von Coachingsituationen im Rahmen des Projektmanagements können unterschieden werden.

Zum einen handelt es sich um Fälle, in denen mit einzelnen Teammitgliedern weiter gehende Ziele vereinbart oder offensichtlich missverstandene Ziele im Detail geklärt werden müssen. Zum anderen handelt es sich um Situationen, in denen im weitesten Sinne kritische verhaltensbezogene Themen mit einzelnen Teammitgliedern angesprochen werden müssen.

6.1 Vertiefende Zielklärung und Zielvereinbarung

Der Prozesse der Auftrags- und Zielklärung und natürlich besonders die Vermittlung der Ziele sollten im ganzen Team vorgenommen werden. Je aktiver sich die Teammitglieder an der Erarbeitung und der Diskussion der Projektziele beteiligen, desto größer ist die Chance, dass sie später die richtigen Ziele verfolgen. Darüber hinaus muss der Projektleiter immer wieder im Hinblick auf einzelne Arbeitspakete detaillierte Zielklärungen mit einzelnen Teammitgliedern durch- führen. Das gilt für Arbeitspakete, die speziell einzelne Teammitglieder betreffen, oder offensichtliche Auftragsunklarheiten, die bei anderen sichtbar geworden sind.

Viele Projektleiter glauben, die Weitergabe von Zielen und Aufträgen sei ein einseitiger Prozess. Ziele werden vermittelt, indem sie den betroffenen Mitarbeitern dargestellt und mit vielen guten Argumenten untermauert werden. Die Mitarbeiter haben jetzt bestenfalls noch die Möglichkeit (Verständnis-)Fragen zu stellen. Ziele, die so transportiert werden, sind immer in Gefahr, dass sie den Mitarbeitern „fremd" bleiben. Ziele sollen aber eigenständige Handlungen der Mitarbeiter initiieren.

Das können sie nur, wenn sie zu einer inneren Instanz werden. Das heißt, der Mitarbeiter muss das Ziel aktiv von sich aus aufnehmen und sich erarbeiten, damit es zu dieser inneren Instanz werden kann. Jedes Teammitglied muss von sich aus die Verantwortung für das Arbeitspaket bzw. die Zielerreichung übernehmen.

Der Prozess, die übergeordneten Projektziele in handlungsleitende Ziele auf der Ebene der Arbeitspakete umzusetzen, gelingt am besten bei Projektmitarbeitern, die den Gesamtsinn des Projekts verstanden und ausreichende Erfahrung im selbstständigen Arbeiten haben. Vor allem bei Teammitgliedern, die aus hierarchisch geführten Abteilungen abgeordnet sind, muss dagegen mit erheblichen Problemen gerechnet werden, die nur in intensiven Coachinggesprächen aufgefangen werden können.

Grundsätzlich gilt bei Zielklärungsgesprächen, dass der Mitarbeiter mehr fragen, reden und argumentieren muss als der Projektleiter. Zum Start des Gesprächs mit dem Teammitglied sollte der Projektleiter deshalb die Ziele des jeweiligen Arbeitspakets nur im groben Überblick darstellen und möglichst schnell das Teammitglied auffordern, diese Vorgaben aus seiner Sicht zu ergänzen, zu erweitern und zu konkretisieren. Selbst wenn sich der Mitarbeiter an dieser Stelle phasenweise in eine falsche Richtung bewegt, ist es günstiger, diesen kleinen Umweg zuzulassen. Der Umweg spiegelt den aktiven Verständnisrahmen des Mitarbeiters. Er dient ihm sowieso als Interpretationshintergrund. Deshalb ist es besser, einen unzutreffenden Interpretationshintergrund offensiv zu thematisieren und ihn in die gewünschte Richtung umzulenken, als ihn unbemerkt im Hintergrund wirken zu lassen.

Der Projektleiter klärt die Ziele für den Mitarbeiter, indem er dessen (!) Verständnis korrigiert und ihn so in die richtige Richtung lenkt. Zum Schluss dieses Klärungsprozesses bietet es sich an, eine Überprüfung bzw. Sicherung des gemeinsamen Verständnisses vorzunehmen. Dazu bittet der Projektleiter den Mitarbeiter, den Auftrag mit den Zielen aus seinem Verständnis heraus zusammenzufassen und möglicherweise schriftlich zu dokumentieren.

 

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