Mikroskopie - Lichtmikroskopie, Polarisation, Rasterkraftmikroskopie, Flureszenzmikroskopie, Rasterelektronenmikroskopie

Gottfried W. Ehrenstein

Mikroskopie

Lichtmikroskopie, Polarisation, Rasterkraftmikroskopie, Flureszenzmikroskopie, Rasterelektronenmikroskopie

2019

232 Seiten

Format: PDF, ePUB

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ISBN: 9783446462014

 

1 Lichtmikroskopie
1.1 Mikroskopie

Mikroskopische Untersuchungsmethoden stellen häufig die direkteste und beste Möglichkeit dar, die inneren strukturellen Merkmale von Kunststoffen zu erfassen und zu beurteilen. Da einzelne Moleküle lichtmikroskopisch nicht auflösbar sind, können nur übergeordnete Strukturen oder Beeinflussungen von größeren Bereichen identifiziert und beurteilt werden. Aufgrund des Aufbaus der Kunststoffe sind mehrphasige Systeme, wie teilkristalline Thermoplaste, Polymermischungen sowie gefüllte und verstärkte Kunststoffe leichter mikroskopisch zu beurteilen als amorphe ungefüllte Kunststoffe.

Durch geeignete Präparation und Eingriffe in die Beleuchtungsanordnung bzw. durch geeignete Wahl eines Detektors kann das unterschiedliche Reflexions- und Absorptionsvermögen des Materials zur Darstellung genutzt werden. Es können die verschiedensten Aufgabenstellungen untersucht werden.

Die häufigsten Verarbeitungs- und Beanspruchungsschäden von Formteilen, die mit Dünnschnitt- und Dünnschliffverfahren erkennbar sind, sind in Tabelle 1.1 dem im Normalfall geeignetsten Mikroskopieverfahren zugeordnet.

Tabelle 1.1 Mikroskopieverfahren für die Schadensanalyse

Al-Interferenzkontrast

DL, polarisiert

DL-Phasenkontrast

AL-Dunkelfeld

Durchlicht (DL)

Auflicht (AL)

Mit Mikroskop erkennbar bei Dünnschnitt Dünnschliff und

Untersuchung (Verarbeitungs- und Beanspruchungsfehler)

Scherorientierung, teilkristalline Thermoplaste

Scherorientierung, amorphe Thermoplaste

Scherorientierung, Füll- u. Verstärkungsstoffe

Scherorientierung, treibmittelh. Kunststoffe

Pigmentfarben (Regranulat)

Sphärolithgröße

Faserlängen, Pigmentgröße

Fremdmaterial

Prägefolien mit Lackaufbau

Lunker

Mikro- und Gefügerisse

Druckzeitlinien

Spärolitharme Randzonen

Medienangriffe

Inhomogene Formmasse

Kerb- und Spannungszustände

Kalte Masseteilchen

Bindenähte

Schweißnähte

Dickenmessung

Die physikalischen Eigenschaften, wie sie an genormten Probekörpern bestimmt werden und von den Rohstoffherstellern vermittelt werden, differieren oft mit den im Bauteil realisierten, zumal das Verarbeitungsverfahren und die konstruktive Gestaltung einen erheblichen Einfluss auf die Strukturen und Eigenschaften haben. Mittels der Mikroskopieverfahren sind beispielsweise spezielle Aussagen zu folgenden damit verbundenen Effekten möglich:

       Sphärolithstrukturen (Struktur und Abweichungen vom idealen Zustand durch Verarbeitungsunregelmäßigkeiten und unsachgemäße Verarbeitungsparameter bzw. Mehrfachverarbeitung

       Lunker, Fehlstellen, Bindenähte, Delaminationen

       Anisotropien, Molekülorientierungen und Eigenspannungen

       Verunreinigungen, nicht aufgeschmolzenes Material, kalte Pfropfen, ungleiche Strukturen

       Verteilung und Orientierung von Füll- und Verstärkungsstoffen, Pigmenten

       Verbindung zu Einlegeteilen und anderen Komponenten

       übergeordnete Molekülorientierungen, Eigenspannungen durch innere und äußere Kräfte; Deformationen durch Schadensablauf

       chemische Angriffe, Crazes und übergeordnete Sphärolithstrukturen

       keine Feinstrukturen (Lamellen) oder einzelne Makromoleküle oder direkte Molekülorientierungen

       indirekte Hinweise auf Fehler im Werkzeugaufbau oder Bauteilkonstruktion, Gestalten von Ecken, Radien und Wanddicken, Auswerfermarkierungen

       Schichtaufbauten und -dicken

1.1.1 Einleitung

In der optischen Dokumentation stehen vielfältige Ausrüstungen und Möglichkeiten zur Verfügung, um Objekte von der Übersicht, beispielsweise eines Schadens, bis hin zur detaillierten Aufnahme ihrer Struktur zu erfassen und zu beurteilen. Je nach geforderter Vergrößerung kann die Fotografie, die Makrofotografie, die Makro- oder Mikroskopie angewandt werden, Bild 1.1.

Die Makro- und Mikroskopie siedeln sich dabei in Vergrößerungsbereichen von etwa 5- bis 1000-fach an. Sie dienen dem Menschen im einfachsten Fall als Sehhilfe, um in einem Objekt Details zu erkennen, die mit bloßem Auge nicht mehr „aufgelöst“/erkannt werden können. In der Kunststoffanalyse werden so strukturelle Merkmale erfasst und beurteilt. Meist sind Kunststoffe bei einer lichtmikroskopischen Untersuchung kontrastlos. Durch geeignete Präparation und Eingriffe in den Strahlengang des Mikroskops können das unterschiedliche Reflexions- und Absorptionsvermögen sowie die optische Dichte und die Doppelberechnung von Kunststoffen zur Kontrastentstehung genutzt werden. So können die verschiedensten Themen untersucht werden.

Bild 1.1 Vergrößerungsbereiche der Fotografie, Makro- und Mikroskopie

1.1.2 Grundlagen der Lichtmikroskopie

Um dem Anwender die verschiedenen Kontrastierungsverfahren der Lichtmikroskopie nahezubringen, soll im Folgenden die prinzipielle Funktionsweise eines Mikroskops anhand der dafür erforderlichen Geräte erklärt und durch Beispielaufnahmen illustriert werden. In Bild 1.2 ist ein Lichtmikroskop, wie es sowohl im Durch- als auch im Auflichtverfahren eingesetzt wird, abgebildet.

Bild 1.2 Mikroskop (Zeiss-Axio-Imager) für das Durch- und Auflichtverfahren

Das Mikroskop nutzt zur Vergrößerung von Strukturen die sogenannte zweistufige Abbildung. Ausgehend von der Lichtquelle (Halogenlampe) gelangen die Lichtstrahlen über ein Linsen- und Spiegelsystem zur Probe. In der ersten Stufe wird durch das Objektiv ein vergrößertes Zwischenbild des Objekts an einer definierten Stelle im Mikroskoptubus erzeugt. Das reelle Luftbild wird in der zweiten Abbildungsstufe durch das Okular vergrößert und auf die Netzhaut des Auges projiziert, Bild...

 

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