Was ist falsch am falschen Rembrandt? - Mit High-Tech den Rätseln der Kunstgeschichte auf der Spur

Horst Czichos, Oliver Hahn

Was ist falsch am falschen Rembrandt?

Mit High-Tech den Rätseln der Kunstgeschichte auf der Spur

2011

227 Seiten

Format: PDF, Online Lesen

E-Book: €  24,90

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ISBN: 9783446429086

 

Echt oder unecht? (S. 173-174)

Materialwissenschaften als Detektiv

materialwissenschaften als Detektiv Eine wichtige Frage bei der Untersuchung von Kunst- und Kulturgut ist die Frage nach der Authentizität von Kunstwerken. Handelt es sich um einzigartige, bedeutende Originale oder sind es wertlose Fälschungen? Ein spektakuläres Beispiel für die „Materialwissenschaften als De- tektiv“ war die Aufdeckung der Fälschung der sogenannten „Hitler- Tagebücher“. Sie waren in 60 Bänden von der Zeitschrift STERN für 9,34 Millionen DM erworben und am 28. April 1983 mit der Schlagzeile „Hitlers Tagebücher entdeckt“ von dem Hamburger Wochenmagazin zur Veröffentlichung angekündigt worden.

Auf Hinweis des Bundes- kriminalamtes und im Auftrag des Bundesarchivs hatte die BAM die auf die Jahr 1934, 1941 und 1943 datierten Bände untersucht. Material- wissenschaftliche Analysen ergaben, dass Papier und Einband aus „Nachkriegsmaterial“ bestanden, womit der zweifelsfreie materielle Beweis eines Entstehungsdatums der Bücher lange nach Hitlers Tod erbracht war. Die Materialanalysen zeigten nämlich, dass in den „Hitler- Tagebüchern“ als Heftfäden Polyamidfasern (auch Perlon genannt) ver- wendet worden waren, diese Kunststofffasern konnten aber überhaupt erst ab 1953 produziert werden.

Die in diesem Kapitel vorgestellten Beispiele zur Frage „Echt oder un- echt?“ dokumentieren die Vielfalt der dabei anfallenden Fragestellun- gen. Handelt es sich bei den bronzezeitlichen Beilen und fernöstlichen Bronzen wirklich um authentische Objekte? Stammt das Meissner Porzellan tatsächlich aus dem 18. Jahrhundert? Wurde das prominente Selbstporträt Rembrandts von 1643 vom Künstler selbst gemalt? Hat Schubert die 1971 entdeckte Sinfonie wirklich selbst komponiert? Eine chemische Analyse kann eine Fälschung entlarven, wenn der Fälscher auf Materialien zurückgreift, die erst nach dem Entstehungs- datum des vermeintlichen Originals Verwendung fanden.

Werden für die Fälschung jedoch Substanzen verwendet, deren zeitgenössischer Gebrauch überliefert ist, oder wird für die Fälschung eines Gemäldes gar eine historische Leinwand übermalt, so ist der Beweis für eine Fäl- schung aus materialwissenschaftlicher Sicht praktisch nicht möglich. Zusammenfassend gilt, dass durch „Falsifikation“, d. h. den Nachweis nicht zeitgenössischer Materialien in Kunstwerken, Fälschungen ein- deutig erkannt werden können. Eine „Verifikation“ der Echtheit von Kunstwerken ist allein durch Materialanalysen nicht möglich, da auch Fälscher zeitgenössische Materialien verwendet haben können.

 

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