Abgebrannt - Unsere Zukunft nach dem Schulden-Kollaps

Hanno Beck, Aloys Prinz

Abgebrannt

Unsere Zukunft nach dem Schulden-Kollaps

2011

288 Seiten

Format: ePUB

E-Book: €  15,99

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ISBN: 9783446428676

 

10 DIE BESTIE AUSHUNGERN (S. 182-183)

„Macht mir eine gute Politik, und ich will euch gute Finanzen machen.“
Baron Lois, französischer Finanzminister 1830

Wie fängt man einen Tiger?

Ganz einfach: Man hebt eine Grube aus und wartet, bis das Tier hineinstürzt. Aber nun muss man ihn aus der Grube in einen Käfig schaffen – eine knifflige Aufgabe, jedenfalls solange das Tier noch bei Kräften ist. Also hungert man den Tiger aus, bis er freiwillig in den Käfig geht, den man an die Grube heranbugsiert hat. Die Amerikaner nennen diese Strategie „starve the beast“ – die Bestie aushungern.

Mitte der 80er-Jahre bekam diese Redewendung eine neue Bedeutung – in einem Artikel des Wall Street Journal ließ sich ein anonymer Mitarbeiter der Regierung Reagan mit den Worten zitieren, man habe zu wenig getan, um die Ausgabenwut des Staates zu drosseln. „Wir haben die Bestie nicht ausgehungert“, erklärte er dem Reporter der Zeitung. Die Bestie, das ist im Weltbild konservativer Politiker der Staat, der sich immer mehr in die Belange der Bürger einmischt und in alle Bereiche des Lebens hineinregiert, vorzugsweise indem er mit Geld um sich wirft, mit der Folge steigender Staatsausgaben und höherer Staatsverschuldung. Und diese Bestie gelte es auszuhungern.

Die Grundidee der „starve the beast“-Strategie besteht darin, dass man den Staat davon abhalten soll, zu viel Geld auszugeben, und zwar am besten, indem man ihm erst gar kein Geld in die Hand gibt. Wer jemanden davon abhalten wolle, sein Geld zum Fenster hinauszuwerfen, der entziehe ihm am besten die Mittel. Also wollten die Konservativen – ihnen voran Präsident Ronald Reagan – dem Staat diese Mittel entziehen. Budgetdefizite, so Reagan, vermittelten Wählern den Glauben, dass sie zusätzliche Staatswohltaten zum Nulltarif bekämen.

Daher präsentierte Reagan seinen Wählern Studien, nach denen jeder zusätzlich eingenommene Steuerdollar zu einem Anstieg der Staatsausgaben in Höhe von 1,58 Dollar führe. Wenn man den Staat in seinem Ausgabenhunger beschränken wolle, müsse man ihm den Geldhahn zudrehen, ähnlich wie bei verschwendungssüchtigen Kindern – da helfen Appelle an die Vernunft wenig, stattdessen kürzt man das Taschengeld.

Das hat eine gewisse Logik – wer viel Geld hat, gibt viel aus. Im schlimmsten Fall führen steigende Staatsdefizite zu steigenden Staatsdefiziten: Der Staat erhöht die Steuern, um das Defizit zu reduzieren, doch statt dies umzusetzen, werden die zusätzlichen Steuereinnahmen dazu verwendet, weitere Wohltaten an die Bevölkerung auszuschütten. Die Bestie ernährt die Bestie. Die Sanierung eines öffentlichen Haushalts mittels Steuererhöhungen ist nach dieser Lesart zum Scheitern verurteilt, da sie zu weiteren Schulden führt. Deswegen die radikale Idee der konservativen Tigerjäger: Einfach die Steuereinnahmen reduzieren; das zwingt den Staat quasi automatisch, weniger auszugeben. Das wirft eine interessante Frage auf: Was passiert, wenn der Staat weniger Geld ausgibt?

 

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