Elektrokonstruktion - Gestaltung, Schaltpläne und Engineering mit EPLAN

Gerald Zickert

Elektrokonstruktion

Gestaltung, Schaltpläne und Engineering mit EPLAN

2019

256 Seiten

Format: PDF, ePUB, Online Lesen

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ISBN: 9783446460225

 

Gestaltung elektrischer Geräte und Anlagen

In diesem Kapitel sollen grundlegende Hinweise zur Gestaltung von Geräten und Anlagen unter dem Aspekt der sicherheitsgerichteten Konstruktion gegeben werden. Dabei spielen Bedienungsabläufe und Handlungen im Notfall eine große Rolle. Zur Gestaltung zählen aber auch der Aufbau in einem Gefäßsystem und die Wärmeabführung.

Ein elektrisches Betriebsmittel ist ein elektrisches Bauelement oder ein Gerät zum Erzeugen, Fortleiten, Verteilen, Messen oder Verwerten von Informationen bzw. von elektrischer Energie. Ein Betriebsmittel wird industriell hergestellt und ist katalogisiert. Es übernimmt eine Teilfunktion in einer Anlage und ist meist nicht selbstständig funktionsfähig.

Gerät ist ein Sammelbegriff für Gegenstände, die z. B. im Arbeitsprozess Verwendung finden, mit denen etwas bearbeitet oder bewirkt werden kann. Sie können selbstständig eine Funktion ausführen oder Komponente einer Anlage sein.

Eine Anlage ist die Gesamtheit der zu einem bestimmten Prozess (z. B. mechanische Fertigung) erforderlichen Ausrüstung. In der Technik ist das meist ein Komplex aus Betriebsmitteln oder Geräten, zum Beispiel zum Aufbau einer elektrischen Anlage.

 

Bild 3.1 Elektrische Anlage

Eine Maschine ist nach der Maschinenrichtlinie eine mit einem anderen Antriebssystem als der unmittelbar eingesetzten menschlichen oder tierischen Kraft ausgestattete oder dafür vorgesehene Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines bzw. eine beweglich ist und die für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt sind. Die Kombination aus mechanischen Baugruppen und den zugehörigen elektronischen Steuerkomponenten wird als Mechatronik bezeichnet.

Die Maschine ist als eigenständige Einheit im Wesentlichen unabhängig von der Umgebung funktionsfähig, jedoch sind deren Einzelkomponenten nicht unabhängig von der Maschine sinnvoll.

3.1 Sicherheitsgerichtete Konstruktion

„Das Verhüten von Unfällen darf nicht als Vorschrift des Gesetzes aufgefasst werden, sondern als ein Gebot menschlicher Verpflichtung und wirtschaftlicher Vernunft.“

(Werner von Siemens im Jahr 1880)

Zu den sicherheitsbezogenen Funktionen in einer Anlage gehören:

  • Stillsetzen, unabhängig von einer Notfallsituation,

  • Handlungen im Notfall (z. B. Not-Aus),

  • Positionsbegrenzungen (z. B. mit Endlagenschaltern),

  • Geschwindigkeitsbegrenzungen u. a.

Diese Funktionen (insbes. Not-Aus) sollen überwiegend durch einfache elektromechanische Betriebsmittel ausgeführt werden. Für komplexe Funktionen können aber auch programmierbare elektronische Systeme eingesetzt werden, wenn diese die Anforderungen der DIN EN 61508 sowie der DIN EN 62061 oder der DIN EN ISO 13849-1 erfüllen. Durch die richtige Anwendung dieser Normen werden elektronische Systeme so funktionssicher, dass sie für sicherheitsbezogene Funktionen einschließlich Not-Handlungen eingesetzt werden können.

3.1.1 Grundsätzliche Gestaltungshinweise

Durch Fehler in der elektrischen Ausrüstung eines Gerätes oder einer Anlage darf es nicht zu gefährlichen Zuständen oder Schäden kommen. Fehler müssen durch geeignete Maßnahmen bereits in ihrer Entstehung verhindert werden oder dürfen sich nicht auf die Sicherheit auswirken.

Für die sicherheitsgerichtete Konstruktion der elektrischen Ausrüstung von Maschinen sind die Hinweise der DIN EN 60204-1 von besonderer Bedeutung. Im Folgenden sollen einige Aspekte erläutert werden, ohne den Anspruch der Vollständigkeit zu erheben.

Netzanschluss

Der Netzanschluss ist die Schnittstelle der Elektroausrüstung einer Anlage zur Elektroenergieversorgung. Jede Anlage soll nur einen Netzanschluss haben, andere Spannungen müssen innerhalb der Anlage gebildet werden. Dies ist bei komplexen Anlagen schwer realisierbar. Bei solchen Anlagen ist die Abweichung von dieser Regel zu dokumentieren und an der Anlage zu kennzeichnen.

 

Bild 3.2 Netzanschluss

Die Zuleitung wird direkt an die Netz-Trenneinrichtung geführt. Bei der Montage auf der Tür des Schaltschrankes, was bis 63 A möglich ist, wird die Zuleitung über separate Einspeiseklemmen geführt (Bild 3.2). In jedem Fall ist eine Kennzeichnung notwendig, da die Leitung und eventuelle Klemmen auch bei ausgeschalteter Netz-Trenneinrichtung unter Spannung stehen.

Verschweißfreier Aufbau

Bei Auftreten einer Gefahr soll die Gefahrenursache ausgeschaltet, also ein Stromkreis geöffnet werden. Damit dies möglich ist, dürfen die Kontakte nicht verschweißen.

Für den Hauptstromkreis wird aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Verschweißfreiheit nicht in jedem Fall und für die gesamte Anlage gefordert. Handelt es sich jedoch um sicherheitsrelevante Betriebsmittel, so muss die vorgeschaltete Sicherung bei Überstrom oder Kurzschluss auslösen bevor die Kontakte verschweißen. Gleichfalls ist die Forderung durch Überdimensionierung oder Redundanz mit Überwachung erfüllbar.

Für den Steuerstromkreis ist die Verschweißfreiheit generell gefordert. Dazu ist die Sicherung des Steuerstromkreises nach dem „empfindlichsten“ Betriebsmittel auszuwählen. Der unbeeinflusste Kurzschlussstrom darf 1000 A nicht übersteigen, wofür die Kontakte ausgelegt sind. Zur Versorgung der Steuerstromkreise ist ein Steuertrafo, der den Kurzschlussstrom auf 1000 A begrenzt, in den meisten Fällen vorgeschrieben. Ausnahmen sind einfache Maschinen mit einem Anlasser und maximal zwei Steuergeräten.

Steuerstromkreis

Besonderheiten für den Steuerstromkreis resultieren aus den üblicherweise niedrigen Spannungen (meist 24 V, 42 V oder 48 V), den kleinen Querschnitten bei langen Leitungen und den niedrigen Stromstärken.

Die Spannungsstabilität muss insbesondere bei dem Abgriff der Steuerspeisespannung vom Hauptstromkreis gewährleistet sein, um das unerwünschte Abschalten von Schützen bei „Spannungseinbrüchen“ zu vermeiden. Im Einschaltmoment dürfen 85 % der Betriebsspannung nicht unterschritten werden. In diesem Zusammenhang ist auch der Spannungsfall, bezogen auf den Einschaltstrom, auf der Steuerleitung zu beachten. Oft sind Querschnitterhöhungen aus diesem Grund notwendig.

 

Bild 3.3 Steuertrafo mit allpoliger Abschaltung

Zweckmäßig ist der Anschluss des Steuertrafos an die Außenleiter des Dreiphasennetzes, da die Primärspannung so stabiler ist. Die Primärsicherung muss in diesem Fall die allpolige Abschaltung garantieren (Bild 3.3).

Die Leitungskapazität kann bei sehr langen Steuerleitungen (ab einigen hundert Metern) und Wechselstrombetätigung das Abfallen der Schütze bei geöffnetem Stromkreis verhindern. Besonders bei hohen Steuerspannungen und Schützen mit kleinem Haltestrom oder niedriger Abfallspannung ist dies kritisch. Zur Abhilfe können diese Ursachen vermieden oder die Gleichstrombetätigung genutzt werden.

 

Bild 3.4 Leitungskapazität einer langen Steuerleitung

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