Gewährleistungsmanagement

Menderes Günes, Marwan Hamdan, Mirko Klug

Gewährleistungsmanagement

2018

200 Seiten

Format: PDF, ePUB

E-Book: €  39,99

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ISBN: 9783446449473

 

3.  Die Haftung für fehlerhafte und mangelhafte Produkte
3.1 Einleitung

Wie eingangs ausgeführt, umschreibt der Begriff der Gewährleistung die Einstandspflicht für eine mangelhafte Leistung, insbesondere verursacht durch einen Sach- oder Rechtsmangel. Als Ausgangspunkt für die Implementierung eines entsprechenden Managementsystems muss daher zunächst das Wissen darüber vorhanden sein, woraus sich die Einstandspflicht für eine mangelhafte Leistung ergibt und in welchem Umfang eine solche Verpflichtung besteht.

Die Entstehung einer Einstandspflicht für eine mangelhafte Leistung kann zum einen ihre Grundlage in einem zwischen dem Verkäufer und Käufer abgeschlossenen Vertrag haben und zum anderen auf Gesetz beruhen. Soweit die Parteien einen Vertrag geschlossen haben, dienen die gesetzlichen Regelungen als Ergänzung für die von den Parteien ungeregelten Fragen und daneben aber auch als Korrektiv, sofern die Vereinbarung zwischen dem Verkäufer und Käufer die Grenzen des zulässigen Rechtsrahmens überschreitet.

Herkömmliche Gewährleistungsmanagementsysteme sind indes nicht auf die durch Vertrag begründete Einstandspflicht für mangelhafte Produkte beschränkt, sondern weisen oftmals als Bezugspunkt die Einstandspflicht für die durch das Unternehmen hergestellten Produkte in einem weiteren Umfang auf. Die Einstandspflicht für ein mangelhaftes Produkt findet ihre Grundlage darin, dass der Käufer für die gezahlte Vergütung keine äquivalente Gegenleistung erhält. Allerdings können durch ein nicht ordnungsgemäßes Produkt andere Interessen und Rechtsgüter des Käufers/Produktnutzers und Interessen und Rechtsgüter weiterer Personen betroffen sein, sofern das Produkt auf ihre durch die Rechtsordnung geschützten Interessen und Rechtsgüter in nachteiliger Weise einwirkt oder einzuwirken geeignet ist. Da diese Aspekte im Rahmen von Gewährleistungsmanagementsystemen ebenfalls Berücksichtigung finden, sollen diese im Folgenden ergänzend einer Betrachtung unterzogen werden.

Mit der Betrachtung möglicher Ansprüche des Käufers und/oder Dritter geht einher, dass im nachfolgenden der Fokus auf die mögliche zivilrechtliche Haftung des Herstellers/Verkäufers gelegt wird und andere Rechtsbereiche ausgeklammert werden. Die Verantwortung des Herstellers/Verkäufers für ein mangelhaftes/fehlerhaftes Produkt ist nicht auf eine zivilrechtliche Haftung beschränkt. Neben der zivilrechtlichen Einstandspflicht besteht auch eine strafrechtliche und öffentlich-rechtliche Produktverantwortung. Insbesondere durch öffentlich-rechtliche Regelungen sind die Inverkehrgabe und der Vertrieb eines Produkts an verschiedene Voraussetzungen geknüpft. Die Anforderungen sind vielfältig und dienen der Sicherstellung verschiedener öffentlich-rechtlicher Interessen. Im Falle des Gesetzes über die Bereitstellung von Produkten im Markt, besser bekannt als Produktsicherheitsgesetz, dienen die Anforderungen als Teil der öffentlich-rechtlichen Gefahrenabwehr zur Sicherstellung, dass in Verkehr gebrachte Produkte die Sicherheit und Gesundheit der Verwender oder Dritter nicht beeinträchtigen. In § 23 KrWG 1 wird dagegen die Verantwortung des Herstellers zur Gestaltung seines Produkts unter Beachtung der in § 1 KrWG definierten umweltpolitischen Zielsetzungen  geregelt.

Sowohl strafrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Anforderungen werden im Nachfolgenden jedoch nicht näher behandelt. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die sich aus diesen Rechtsbereichen ergebenden Anforderungen nicht als Gegenstand des Gewährleistungsmanagements angesehen werden. Öffentlich-rechtliche Produktanforderungen beeinflussen teilweise jedoch unmittelbar oder mittelbar auch die berechtigten Erwartungen von Anspruchsstellern, sodass auf diese an geeigneter Stelle zumindest vereinzelt Bezug genommen wird.

3.2 Inhalt der (vertraglichen und außervertraglichen) Produkthaftung

Wenn es um die zivilrechtliche Haftung im Zusammenhang mit fehlerhaften Produkten geht, wird häufig der Begriff „Produkthaftung“ verwendet. Die Produkthaftung – im eigentlichen Sinne – meint die Pflicht, für solche Schäden zivilrechtlich haften zu müssen, die sich aus der Benutzung bestimmter Produkte ergeben. Diese Haftung betrifft vor allem den Hersteller eines Produkts. Sie kann sich sowohl als sog. Produzentenhaftung aus dem Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) als auch aus dem Produkthaftungsgesetz ergeben. Produzentenhaftung und Produkthaftung nach dem ProdHaftG weisen im Hinblick auf ihre Voraussetzungen Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede auf. Beiden gemeinsam ist jedoch, dass sie auf den Schutz des Integritätsinteresses gerichtet sind, d.h. auf das Interesse, nicht durch die Handlungen eines anderen, eine Verletzung eigener Rechtsgüter (z.B. eine Körperverletzung) erleiden zu müssen. Aus dieser Schutzrichtung ergibt sich auch, wer einen solchen Anspruch geltend machen kann. Anspruchsinhaber kann nämlich nicht nur der jeweilige Vertragspartner, sondern auch jeder Dritte sein, der durch ein fehlerhaftes Produkt in geschützten Rechtsgütern verletzt wird.

Hingegen schützt die vertragliche Gewährleistung für ein mangelhaftes Produkt vorrangig das Äquivalenzinteresse. Die Mangelfreiheit eines Produkts beurteilt sich nach der Gebrauchs- und Funktionsfähigkeit der Sache unter Berücksichtigung des Äquivalenzinteresses, das darin besteht, für den aufgewendeten Preis einen Gegenwert in Gestalt der Kaufsache zu bekommen. Diese Sachmängelhaftung ist eine vertragliche Haftung und damit von vornherein auf das Verhältnis zwischen den jeweiligen Vertragspartnern – Käufer und Verkäufer – beschränkt. Sie wird oftmals auch als die sog. vertragliche Produkthaftung bezeichnet, wenn auch es sich hierbei nicht um eine Produkthaftung im eigentlichen Sinne handelt. Die Produkthaftung im eigentlichen Sinne bezeichnet man dann in Abgrenzung zu der vertraglichen Produkthaftung als außervertragliche Produkthaftung, da eine Anspruchsentstehung eben nicht das Vorhandensein einer vertraglichen Beziehung zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner voraussetzt.

 

Bild 3.1 Übersicht Haftung für fehlerhafte und mangelhafte Produkte

3.3 Deliktsrechtliche Produzentenhaftung

Bei der Produzentenhaftung handelt es sich nicht um ein eigenständiges Rechtsgebiet. Vielmehr ist die Produzentenhaftung Teil des im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Deliktsrechts. Anknüpfungspunkt für die deliktsrechtliche Produzentenhaftung ist dabei § 823 Abs. 1 BGB. 2 Dieser lautet:

§ 823 Abs.1 BGB

„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“

Die Rechtsprechung hat die in § 823 Abs. 1 BGB enthaltenen tatbestandlichen Voraussetzungen für den Bereich der Produzentenhaftung im Laufe der Jahre fortwährend konkretisiert. Diese betreffen zum einen die einen Hersteller betreffenden Pflichten und zum anderen die Beweislast, d.h. die Frage, wer in einem Prozess den Beweis für eine Tatsache erbringen muss.

 

Bild 3.2 Voraussetzungen für Produzentenhaftung

3.3.1 Anspruchsverpflichteter

Haftbar ist zunächst der Hersteller des Produkts. Hierunter fällt auch der Zulieferer sowie derjenige, der das Endprodukt – aus verschiedenen Zulieferteilen – herstellt. Die Fertigung von Produkten erfolgt regelmäßig jedoch nicht durch eine einzelne natürliche Person, sondern durch Unternehmen, welche entweder in der Form einer Personenmehrheit (z.B. OHG, KG) oder einer juristischen Person (z.B. GmbH, AG) durch Einsatz von Mitarbeitern und Sachmitteln eine Herstellung vornehmen. Die Haftung des Unternehmens, das das End- oder Zulieferprodukt herstellt, ist daher regelmäßig nicht ohne Weiteres gegeben, sondern abhängig davon, dass dem jeweiligen Unternehmensinhaber entweder selbst ein Pflichtverstoß zur Last gelegt oder ihm das Verhalten der zum Unternehmen zugehörigen Personen zugerechnet werden kann. Neben dem Unternehmen ist auch eine eigene Haftung der Geschäftsleitungsorgane gegenüber dem Geschädigten gegeben, sofern die Verletzung der Verkehrssicherungspflichten im Zusammenhang mit der Herstellung des Produkts sich als Folge der Verletzung betrieblicher Organisations- und Kontrollpflichten darstellt. 3 Eine mögliche Haftung ist aber nicht auf das Unternehmen und dessen Geschäftsleitungsorgan beschränkt. Sie kann vielmehr jeden Mitarbeiter treffen, der durch sein Tun oder Unterlassen dazu beigetragen hat, dass fehlerhafte Produkte in den Verkehr gelangen und die...

 

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