EFQM zur Organisationsentwicklung

Benedikt Sommerhoff, Gerd F. Kamiske

EFQM zur Organisationsentwicklung

2018

128 Seiten

Format: PDF, ePUB, Online Lesen

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ISBN: 9783446456075

 

2Grundlegendes


2.1Existenz begründen und sichern


WORUM GEHT ES?


Die beiden globalen Herausforderungen für jedes Unternehmen, für jede Organisation sind die Begründung der eigenen Existenzberechtigung und die nachhaltige Sicherung dieser Existenz. Eine Existenzberechtigung begründen bedeutet:

  • einen Bedarf erkennen und daraus einen Auftrag (Mission) ableiten,
  • den eigenen Auftrag erfüllen und für Art und Grad der Erfüllung Ziele haben (Vision),
  • diese eigenen Ziele erreichen.

In der Erfüllung ihres Auftrages muss die Organisation zunächst einmal effektiv sein. Mission und Vision, insbesondere das Konzept für die Art der Erfüllung der Mission, die Strategie, bestimmen das Dienstleistungs- oder Produktqualitätsniveau.

WAS BRINGT ES?


Die Existenz nachhaltig sichern bedeutet:

  • unternehmerische Risiken überstehen,
  • in einem sich schnell und weitreichend verändernden, disruptiven Umfeld bestehen,
  • massivem Wettbewerb standhalten und
  • manchmal einfach Glück haben.

Unter dem externen Druck reicht es nicht, effektiv zu sein, die Organisation muss zudem effizient sein. Plakativ gesagt bedeutet effektiv und effizient sein mit Peter F. Drucker: „das Richtige richtig tun“ [Drucker 1967]. Dieses Motto hat auch seit Langem das Qualitätsmanagement für sich adaptiert.

Um effektiv zu sein und Existenz zu sichern, muss das Unternehmen

  • Entwicklungen und Entwicklungsrichtungen verstehen, d. h.
  • –heutige Bedürfnisse und Erwartungen aller Interessengruppen kennen und zukünftige antizipieren,
  • –heutige externe und interne Entwicklungen verstehen und zukünftige antizipieren,
  • sein eigenes Potenzial genau kennen, d. h.
  • –Stärken, Schwächen, Verbesserungs- und Entwicklungspotenziale verstehen,
  • –seinen Reifegrad im Vergleich zu anderen und seine Alleinstellung richtig einschätzen.

Qualitätsmanager und Organisationsentwickler müssen die grundlegende unternehmerische Herausforderung verstehen. Gelingt es, die eigene Arbeit unternehmerisch zu begründen, ist es leichter, die so notwendige Akzeptanz der eigenen Arbeit bei Leitung und Gesellschaftern zu finden.

Das Qualitätsmanagement leistet folgende Beiträge zur Existenzbegründung und Existenzsicherung eines Unternehmens:

  • die Erwartungen und Bedürfnisse aller Interessengruppen verstehen und in Qualitätsmerkmale übersetzen,
  • die Erreichung des Qualitätsniveaus von Produkt oder Dienstleistung, das dem Marktbedarf und der darauf abgestimmten Strategie entspricht, gewährleisten,
  • die Effektivität des Unternehmens in der Erfüllung des Auftrags und in der Erreichung der eigenen Ziele durch das Design von Prozessen und die Gestaltung eines Regelwerkes sicherstellen,
  • Verschwendung und Fehler reduzieren helfen, um die Effizienz des Ressourceneinsatzes zu verbessern,
  • die kontinuierliche Verbesserung stimulieren und managen, um Effizienz zu steigern und ein temporäres Monopol zu erreichen und zu verteidigen.

Tabelle 1 zeigt grundlegende Forderungen der wichtigsten Interessengruppen an das QM-System.

Tabelle 1: Grundlegende Anforderungen der wichtigsten Interessengruppen an das Qualitätsmanagement

WIE GEHE ICH VOR?


In Reaktion auf Entwicklungen und Potenziale muss eine Leitung ihre Organisation zielgerichtet entwickeln. Viele der resultierenden Projekte sind Veränderungsprojekte, sodass diese Entwicklungsarbeit Veränderungsmanagement (Change Management) erfordert.

Die Einbindung aller Veränderungsprojekte in ein ganzheitliches, langfristiges Gesamtkonzept bedeutet Organisationsentwicklung.

2.2Hauptsätze des Qualitätsmanagements


WORUM GEHT ES?


Es gibt eine im Qualitätsmanagement verbreitete Betrachtungsweise, dass in der frühen Entwicklung des Fachgebiets die Produktqualität, später die Prozessqualität und heute die Unternehmensqualität im Fokus stehen. Und ganzheitliches Qualitätsmanagement äußere sich als Management der Unternehmensqualität. Das mag nicht falsch sein, ist aber potenziell irreführend. Hier soll stattdessen die Produktqualität (damit ist auch Dienstleistungsqualität gemeint) wieder mehr im Fokus stehen und gezeigt werden, dass diese um ihrer selbst willen bereits eines ganzheitlichen Qualitätsmanagements bedarf. Dazu dienen die nun vorgestellten Hauptsätze des Qualitätsmanagements. Das Kapitel führt zudem das EFQM-Modell als Konkretisierung von ganzheitlichem Qualitätsmanagement ein.

WAS BRINGT ES?


In Organisationen herrscht bei unterschiedlichen Interessengruppen, Mitgliedern der Leitung sowie weiteren Führungskräften, QM-Mitarbeitern und Mitarbeitern anderer Bereiche häufig ein unterschiedliches Verständnis rund um Qualitätsbegriffe und -themen.

Die hier formulierten Hauptsätze des Qualitätsmanagements geben Orientierung und sollen Qualitätsmanagern und Organisationsentwicklern helfen, eine eigene klare Position zu entwickeln. Entlang der Hauptsätze des Qualitätsmanagements lässt sich der eigene Qualitätsmanagementansatz hinterfragen und bei Bedarf neu positionieren.

WIE GEHE ICH VOR?


2.2.1Produkt- und Dienstleistungsqualität fokussieren


Erster Hauptsatz des Qualitätsmanagements

Qualitätsmanagementhandeln hat als oberstes Ziel das Erreichen oder das Erhalten eines angestrebten Niveaus der Produktqualität unter Berücksichtigung der nachhaltigen existenziellen Organisationsziele.

Qualität steht hier im Kontext der Organisationsziele, also auch der Strategie und des Geschäftsmodells. Es geht explizit nicht um eine Maximierung der Produkt- oder Dienstleistungsqualität. Das könnte sogar je nach Geschäftsmodell unternehmensschädigend sein. Stattdessen kommt es auf das Einpegeln auf das angestrebte Qualitätsniveau an, also auf die richtige Dosierung von Qualität, welche ja auch immer eine Dosierung von Ressourcen bedeutet.

Die Zusatzinvestition in den Grad an Qualität, der das im Rahmen einer Strategie und eines Geschäftsmodells definierte Niveau übersteigt, kann für das Unternehmen eine existenzielle Bedrohung darstellen. Für Qualitätsmanager ist die Erkenntnis, dass dann vor dem „gut“ das „gut genug“ kommt, oft irritierend.

2.2.2Ganzheitliches Qualitätsmanagement umsetzen


Zweiter Hauptsatz des Qualitätsmanagements

Produktqualität wird unmittelbar und mittelbar durch miteinander verwobene Ursachen und Wirkungen beeinflusst; sie kann nur in Kenntnis und unter Berücksichtigung systemischer Zusammenhänge zielgerichtet gelenkt werden.

Bild 1 illustriert den zweiten Hauptsatz und zeigt die zwei Ebenen der zu Dienstleistungs- bzw. Produktqualität führenden Ursache-Wirkungs-Mechanismen auf. Unmittelbar wirkt die Qualität der Leistungsprozesse und des Designs auf die Produkt- und Dienstleistungsqualität. Auf Letztere wirkt sich maßgeblich auch das Mitarbeiterverhalten aus.

Ein Konglomerat miteinander verwobener Einflussfaktoren wiederum beeinflusst die Qualität der Leistungsprozesse und des Designs sowie das Mitarbeiterverhalten. Wesentliche Stellhebel am Beginn der Ursache-Wirkungs-Kette sind dabei letztlich Führungskompetenz und Führungshaltung. Je kompetenter die Führung, desto besser ist z. B. die Strategie, je konsequenter die Führungshaltung, desto leichter kann sich Mitarbeiterengagement entfalten.

Das klassische Qualitätsmanagement richtet seinen Fokus eher auf die Qualität der Leistungsprozesse und des Designs und lässt damit wesentliche Einflussfaktoren auf die Produkt- und Dienstleistungsqualität außer Acht.

Bild 1: Treiber von Produktqualität

Die gleichen Treiber, die auf die Qualität wirken, wirken zusätzlich auf folgende Ergebnisse:

  • die Erreichung der Unternehmensziele,
  • die Attraktivität als Partner,
  • die Attraktivität als Arbeitgeber sowie
  • die Wirkung in der Gesellschaft.

Qualität selbst verstärkt den Effekt der Treiber auf diese Ergebnisse (s. Bild 2). Die EFQM hat ähnliche Überlegungen zu den Treibern von Unternehmenserfolg angestellt und sie in fünf Kriterien gefasst, die sie Befähiger nennt. Zusammen mit vier Ergebniskriterien bilden sie das EFQM-Excellence-Modell (s. Bild 11).

Bild 2: Ergebnisdimensionen von ganzheitlichem Qualitätsmanagement

Der zweite Hauptsatz begründet, warum sich Qualitätsmanager mit allen Aspekten der Organisation auseinandersetzen müssen und weshalb es folgerichtig ganzheitliche Qualitätsmanagementansätze wie den...

 

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