Werkstofftechnik 2 - Werkstoffherstellung, Werkstoffverarbeitung, Werkstoffanwendung

Wolfgang Bergmann

Werkstofftechnik 2

Werkstoffherstellung, Werkstoffverarbeitung, Werkstoffanwendung

2009

650 Seiten

Format: PDF, Online Lesen

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ISBN: 9783446420588

 

F Werkstoffverarbeitung (S. 76-77)

1 Verarbeitung metallischer Werkstoffe

Die Fertigungsverfahren für metallische Werkstoffe erfahren in DIN 8580 eine Einteilung in sechs Hauptgruppen, die grundsätzlich auch auf nichtmetallische Werkstoffe übertragen werden kann. Zu den nachstehend genannten Hauptgruppen sind in Klammern vom werkstofftechnischen Standpunkt aus wichtige Verfahren aufgeführt, die auch im folgenden Kapitel F 1 eingehender behandelt werden:

1. Urformen (Gießen, Galvanoformen, Pulvermetallurgie),

2. Umformen (Walzen, Pressen, Ziehen u. a.),

3. Trennen (Zerspanen, Erodieren, thermisches Trennen),

4. Fügen (Schweißen, Löten, Kleben),

5. Beschichten (Schmelztauchen, Galvanisieren, Abscheiden u. a.),

6. Stoffeigenschaftändern (Wärmebehandeln).

Für die Herstellung eines Bauteils stehen fast immer mehrere, auch verschiedenen Hauptgruppen angehörende Fertigungsverfahren zur Verfügung. Da jedes Verfahren spezi.sche Vor- und Nachteile aufweist, sind bei der Wahl des für ein vorgegebenes Bauteil am besten geeigneten Herstellungsverfahrens eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen. Die Auswahlentscheidung muss sich unter anderem an folgenden Kriterien orientieren:

Stückzahl, Stückgröße, Gestaltung, Eigenschaftsanforderungen (insbesondere mechanische Eigenschaften), Maßgenauigkeit, erforderliche Nacharbeit, Oberflächengüte, Eigenspannungen, Verzug, Prüfaufwand, Werkstoffausnutzung, Lieferzeit. Eine eingehende Erörterung dieser Ein.ussfaktoren geht über den Rahmen dieses Buches hinaus, dennoch seien einige besonders typische Merkmale der meist miteinander konkurrierenden Formgebungsverfahren Gießen, Sintern, Schmieden, Fließpressen und Zerspanen genannt.

Wichtigstes Kennzeichen für die Gießverfahren ist deren Fähigkeit, Bauteile fast beliebig komplizierter Form wirtschaftlich herstellen zu können. Dem steht meist ein hoher Aufwand an Nacharbeit und Fehlerprüfung gegenüber. In ungünstigen Fällen (Stahlguss) kann das Gewicht des gegossenen Rohteils einschließlich Angussteilen, Speisern etc. doppelt bis dreimal höher liegen als das des Fertigteils.

Für eine pulvermetallurgische Herstellung von Massenteilen spricht abgesehen vom einfachen und schnellen Fertigungsablauf vor allem die hohe Maßgenauigkeit der Teile, die keine oder nur geringe Nacharbeit erfordern. Es bestehen jedoch Einschränkungen hinsichtlich Größe, Gestaltungsfreiheit und mechanischer Eigenschaften der Teile.

Etwa ähnliche Gesichtspunkte wie für die Pulvermetallurgie gelten auch für das i. Allg. kalt durchgeführte Fließpressen. Die gegenüber pulvermetallurgisch hergestellten Teilen sehr viel besseren mechanischen Eigenschaften fließgepresster Teile sind ein zusätzlicher Vorteil dieses Verfahrens. Das i. Allg. warm durchgeführte Gesenkschmieden führt zu einer äußerst günstigen Gefügeausbildung, so dass es in der Regel bei der Herstellung hoch beanspruchter Bauteile vorgezogen wird, allerdings unter Inkaufnahme erhöhter Nacharbeit.

Das Zerspanen erlaubt die Herstellung maßgenauer Teile, auch solcher komplizierterer Formgebung. Im Vergleich zu den vorgenannten Verfahren benötigt es keine Formen und Modelle, ist also auch für Einzelanfertigungen bzw. Kleinserien geeignet. Nachteilig zu bewerten sind eine i. Allg. niedrige Materialausnutzung und Fertigungsgeschwindigkeit. Von dem in eine zerspanende Fertigung gelangenden Rohmaterial wird bis zu 30 % zu Spänen verarbeitet.

Auf die Wahl des Fertigungsverfahrens übt die konstruktive Gestaltung eines Bauteils einen bestimmenden Ein.uss aus. Die Anwendbarkeit eines Fertigungsverfahrens hängt demnach nicht nur vom Werkstoff, sondern stets auch von der Bauteilform ab. Der Zusammenhang, dass die Verarbeitbarkeit eines Werkstoffs jeweils nur unter Berücksichtigung bestimmter fertigungstechnischer wie auch konstruktiver Einschränkungen gewährleistet ist, gilt–wenn auch in unterschiedlichem Maße – allgemein, also für die Gießbarkeit, pulvermetallurgische Verarbeitbarkeit, Umformbarkeit, Zerspanbarkeit, Löt- und Klebbarkeit usw., sogar für die Galvanisierbarkeit oder Wärmebehandelbarkeit.

 

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