Lean Production - Praktische Umsetzung zur Erhöhung der Wertschöpfung

Jörg Brenner, Franz J. Brunner

Lean Production

Praktische Umsetzung zur Erhöhung der Wertschöpfung

2016

376 Seiten

Format: ePUB

E-Book: €  31,99

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ISBN: 9783446452091

 

1 Kapazitätsengpässe und Produktivitätsverluste
1.1 Arten von Kapazitätsengpässen und Produktivitätsverlusten

Grundsätzlich sind die Gründe für Verluste von Kapazität und Produktivität mehr oder weniger identisch, weshalb sie auch beide zusammen in diesem Kapitel behandelt werden. Um jedoch ein klareres Verständnis der Unterschiede zu erlangen, welches für die weiteren Abschnitte hilfreich sein wird, eine kurze Definition:

Produktivität

Für die Produktivität wird normalerweise folgende Formel verwendet:

Produktivität = Output/Input oder Ausbringungsmenge/Einsatzfaktoren

Der Output wird in Einheiten des Faktors, den wir produzieren wollen, wie Stückzahlen, Kg, Liter etc. gemessen; der Input dagegen wird in dem angegeben, was wir zur Produktion einsetzen, wie Mitarbeiter- oder Maschinenstunden. Wenn wir also von Produktivitätssteigerung sprechen, so wollen wir entweder mit dem gleichen Input mehr Output erreichen, gleich viel Output mit weniger Input, oder beides zusammen. Sprechen wir allerdings von Kapazität, so definieren wir, entweder wie viel Input uns zur Verfügung steht oder wie viel wir benötigen, um einen gewissen Output zu erreichen. Wenn wir demnach in der Produktivitätsformel den Output bei gleich bleibendem Input erhöhen, so steigern wir automatisch auch die Kapazität. Mit einem Produktivitätsprojekt will man normalerweise die Kosten reduzieren, mit einem Kapazitätsprojekt allerdings liegt der Fokus klar auf der Erhöhung des Outputs. Im Prinzip kommt es also nur auf die Betrachtungsweise an.

Welche Verschwendungsarten werden betrachtet?

Da das Thema der sieben Arten der Verschwendung in der Literatur mehr als ausreichend behandelt wurde, nur ein ganz kurzer Überblick zu den drei Arten, die in diesem Kapitel im Mittelpunkt stehen werden: Bewegung, Transport und Wartezeit.

Sieben Arten der Verschwendung

Von den sieben Arten der Verschwendung sind bis auf die Bestände alle Thema der Kapazität und Produktivität (Ohno 1988):

  • Bewegungen

  • Transport

  • Wartezeiten

  • Überbearbeitung

  • Überproduktion

  • Korrekturen und Fehler.

Grundsätzlich ist der Gedanke der Verschwendung (japanischer Begriff Muda), dass Tätigkeiten in wertschöpfende und nicht-wertschöpfende Komponenten unterteilt werden. Die nicht-wertschöpfenden sollen als Verschwendung so weit als möglich reduziert oder ganz eliminiert werden. Die klassischen Arten der Verschwendung, wie sie von Taiichi Ohno beschrieben worden waren, wurden über die Jahre durch weitere ergänzt, wie z. B. die Verschwendung von Talenten. Weitere wichtige Begriffe in diesem Zusammenhang sind Muri (Überlastung von Mensch oder Maschine) und Mura (Unregelmäßigkeiten im Prozess).

Es wird in den Fallbeispielen auch versucht, eine klare Trennung zwischen nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten von Mitarbeitern und Anlagen einzuhalten. Im Kapitel zu den Beständen werden in fast allen Fallbeispielen gravierende Änderungen in den Abläufen notwendig, um Ergebnisse zu erzielen. Bei diesem Thema können allerdings bereits mit kleinen Veränderungen Produktivitäts- und Kapazitätssteigerungen erreicht werden. Daher werden auch zahlreichere, aber kürzere Fallbeispiele kommen, die Ihnen eine Vielzahl an unterschiedlichen Ansätzen aufzeigen sollen.

Bewegung und Transport werden einen ganz klaren Fokus auf Mitarbeiter haben. Bei der Verschwendungsart Bewegung dreht es sich um die Mitarbeiter, die daran gehindert werden, wertschöpfende Tätigkeiten auszuführen, weil sie geplant als Teil des Prozesses oder ungeplant als Abweichung von diesem sich bewegen müssen. Die Fallstudien dazu werden also darauf ausgerichtet sein, wie ein Arbeitsplatz oder das Layout verbessert werden kann, damit sich der Mitarbeiter weniger bewegen muss. Der ursprüngliche Gedanke beim Transport dreht sich um das Bewegen von Material, was mit oder ohne Beihilfe eines Mitarbeiters geschehen kann.

Für dieses Kapitel ist nur der Transport durch Mitarbeiter von Interesse. Die dritte Art ‒ Wartezeiten ‒ wird dann auf Mitarbeiter und Anlagen ausgeweitet, wobei auch alle Aspekte von Maschinenstillständen (Rüstzeiten, Instandhaltung usw.) erfasst werden. Für den Mitarbeiter kann Wartezeit, wie schon die Bewegung, entweder prozessbedingt (z. B. durch die Austaktung einer Montagelinie oder das Warten auf das Ende eines Prozesses in einer Anlag) oder störungsbedingt (z. B. Warten auf den nächsten Auftrag) sein. Auch hier werden unterschiedliche Fallbeispiele aufgezeigt.

Wo liegt der Fokus bei Kapazitätsprojekten?

Produktivitätssteigerungen und damit Kostenreduzierungen können so gut wie in allen Prozessschritten Sinn machen. Mit Kapazitätssteigerungen können jedoch nur an gewissen Arbeitsplätzen tatsächliche, ergebnisrelevante Verbesserungen erzielt werden, nämlich an den Engpässen. Der Engpass ist jener Punkt in einer Prozesskette, der letztendlich den gesamten Durchfluss bestimmt (Tabelle 1.1). Daher ist es auch von besonderer Bedeutung zu wissen, wo im Prozessfluss genau der Engpass liegt. In Tabelle 1.1 würde man, wenn man nur nach den Zykluszeiten geht, Prozessschritt 3 mit der höchsten Zykluszeit als den Engpass nehmen. Wird jedoch der OEE (siehe Kapitel 1.3.1 Analyse der Daten) in die Betrachtung mit einbezogen, also wie gut wir unsere Zeit für die Produktion von guten Teilen nutzen, so stellt sich Prozessschritt 4 als der Fokus heraus (gewichtete Zykluszeit = Zykluszeit/OEE). Dieser hat zwar eine geringere Zykluszeit, doch haben wir so hohe Verluste an der Anlage, dass sie tatsächlich der bestimmende Faktor für den Gesamtdurchsatz ist. Würden wir nun versuchen, die Kapazität von Prozessschritt 3 zu erhöhen, so würden wir am Ende des Tages kein einziges Stück mehr produzieren. Es müssten also im ersten Schritt die Verluste im Schritt 4 verringert werden bis die gewichtete Zykluszeit unter die von 3 fällt.

Tabelle 1.1 Identifikation des Engpasses

 

Zykluszeit (s)

OEE

Gewichtete
Zykluszeit

Prozessschritt 1

21

95 %

22,1

Prozessschritt 2

28

85 %

32,9

Prozessschritt 3

35

80 %

43,8

Prozessschritt 4

26

55 %

47,3

Prozessschritt 5

14

65 %

21,5

Im Kapitel zu den Beständen wird genauer auf die Problematik des Engpasses und der Zykluszeiten eingegangen. In diesem Kontext wurden statt des OEEs nur die Rüstzeiten verwendet, da diese relevanter für die Bestände und die Flexibilität der Produktion waren. Die Aussage ist natürlich genau dieselbe.

1.2 Produktivitäts- und Kapazitätssteigerung bei Mitarbeitern
1.2.1 Analyse der Daten

Auch in diesem Kapitel sollen an Hand einiger praktischer Beispiele die einzelnen Schritte in der Analyse von Tätigkeiten von Mitarbeitern aufgezeigt werden. Eingangs soll ganz besonders die Sensibilität dieses Themas hervorgehoben werden. Bitte bedenken Sie immer, dass Sie Mitarbeiter, eventuell sogar Kollegen, beobachten und deren Abläufe analysieren. Es muss allen Beteiligten klar sein, dass es um keinerlei Bewertung einzelner Mitarbeiter...

 

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