Storytelling: Digital - Multimedial - Social - Formen und Praxis für PR, Marketing, TV, Game und Social Media

Pia Kleine Wieskamp

Storytelling: Digital - Multimedial - Social

Formen und Praxis für PR, Marketing, TV, Game und Social Media

2016

250 Seiten

Format: PDF, ePUB, Online Lesen

E-Book: €  29,99

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ISBN: 9783446448100

 

2 Vielfältiger Einsatz von Storytelling

Fast könnte man davon ausgehen, dass Storytelling als Methode hauptsächlich im Bereich Kommunikation (Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Vertrieb) und Unterhaltung (Literatur, Theater, TV, Kino, Webseiten usw.) eingesetzt wird. Das wird der Methode jedoch nicht gerecht, denn Storytelling wird weitaus vielfältiger eingesetzt. Nachfolgend werden einige Bereiche aufgezeigt, in denen Storytelling erfolgreich zum Einsatz kommt.

Wo Geschichten erzählt werden

„Wir verstehen alles im menschlichen Leben durch Geschichten.“ ‒ Jean-Paul Sartre

Storytelling wird als bewusste Methode in den unterschiedlichsten Bereichen angewendet. Neben den Anwendungsbereichen in Schule und Training findet Storytelling in Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Change-Management sowie als therapeutischer Ansatz in der Psychologie oder Medizin Verwendung. Dabei kann die Methode Storytelling, je nach Umfang der Themen und der zeitlichen Ressourcen als Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit durchgeführt werden.

Geschichten nehmen, ob bewusst oder unbewusst, viele Rollen und Funktionen ein.

Hier einige Beispiele: Geschichten …

  • … verstärken die Bindung zu einer Marke, einem Unternehmen, einem Thema, einer Person;

  • … motivieren und lenken Aktivitäten auf gewünschte Ziele;

  • eignen sich für die Kommunikation von Inhalten und Gefühlen;

  • dienen der Interpretation von Vergangenem und der Beschreibung der Gegenwart und der Zukunft;

  • geben Richtlinien und Entscheidungshilfen;

  • unterstützen Veränderungs- und Kreativitätsprozesse;

  • überzeugen Menschen von neuen Ideen;

  • können das schwer zugängliche (Erfahrungs-)Wissen von Mitarbeitern und Teams weitergeben und speichern.

2.1 Storytelling in Unternehmen

Storytelling und Change- bzw. Wissensmanagement

Vor einiger Zeit wurde meine Tante gefragt, ob sie sich bereit erklären würde in der Schule ihrer Enkelin einen Beitrag zu leisten. Die Lehrerin argumentierte, dass sie gerne die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg anschaulich und lebensecht anhand von Zeitzeugen-Erzählungen vermitteln würde. Die Schüler sollten die Person, die sie einladen würden, kurz vorstellen, und dann sollte meine Tante ihre Erlebnisse und ihre Erfahrungen weitergeben. Dadurch, dass die Kinder auf Bekannte und Verwandte ihres Umfeldes zurückgriffen, schufen sie die Brücke zur Gegenwart. Andererseits wurde durch diese unkalkulierbare Auswahl der Zeitzeugen und Einzelschicksale eine „gut durchmischte Gesamtstory“ geschaffen. Die Kinder erhielten verschiedene persönliche Eindrücke. Als Enkel oder Großneffen war das Publikum (die Schulklasse) emotional mit den Erzählenden verbunden. Die Geschichte des „nicht vorstellbaren Kriegsgeschehens in Deutschland“ wurde dadurch echt, glaubwürdig und rückte näher an die Kinder heran.

Immer mehr Unternehmen, Organisationen und auch Schulungseinrichtungen haben das Geschichtenerzählen für sich wiederentdeckt, um Wissen zu bewahren und weiterzugeben.

Dahinter steht die Erkenntnis, dass der größte Schatz einer Firma/Organisation in den Köpfen ihrer Mitarbeiter steckt. Auf einen Nenner gebracht ist das Wissen vieler (Kollektivwissen) mehr als das Wissen einer einzelnen Person.

Bild 2.1 Das Beispiel Wikipedia zeigt es: Ein gesammeltes Wissen, Kollektivwissen, eines Unternehmens oder einer Gesellschaft ist größer als das Wissen einzelner Personen.

Die Erfahrungen der Eingeweihten (Mitarbeiter) und deren Wissen über Abläufe und Zusammenhänge bilden einen Großteil des Wertes einer Gemeinschaft (eines Unternehmens).

So funktionierten bereits ganze Kulturen. Oft wurde das Wissen in einem „Berufsstand“ ‒ etwa Schamanen, Priester, Hebammen oder Heilkundige ‒ weitergegeben. Wenn eine Berufsgruppe mit dem gesammelten, nicht schriftlich überlieferten Wissen ausstirbt ‒ oder Mitarbeiter die Firma verlassen ‒, geht meist auch deren Wissen für die anderen Mitarbeiter verloren.

Daher wird gerade vor großen Veränderungsprozessen versucht, das Wissen und die Erfahrungen bestimmter Personen zu erfassen. Storytelling wird hierbei als Methode angewendet, um auch unbewusstes und durch reines Befragen oft nicht zugängliches Wissen zu erfassen und weiterzugeben. Beispielsweise erzählen Mitarbeiter einer Firma Begebenheiten und Anekdoten über das Unternehmen, Kollegen, Kunden und Partner. Sie überliefern gesammelte Erfahrungen vergangener Projekte, analysieren, was erfolgreich lief oder welches Projekt scheiterte. Und immer spielen die Emotionen des Erzählers eine große Rolle, denn dieses Wissen ist keine Ansammlung reiner Fakten, es sind „persönlich erworbene Erfahrungen“. Als Ergebnis erhält man wichtige Erkenntnisse über das, was das Denken und Handeln im Unternehmen im Umgang mit Wissen leitet.

Mitte der 1990er-Jahre wurde mit dem „Learning-Histories-Ansatz“ eine sehr bekannte Methode des Storytellings im Wissensmanagement entwickelt. Hierbei wird anhand von Interviews das Erfahrungswissen Einzelner über spezielle Themenbereiche, etwa Messe- und Eventprojekte oder Projekte mit Neukunden, zu einer gemeinsamen, umfassenden Erfahrungsgeschichte aufbereitet. Mit dieser Methode werden Erfahrungen, Tipps und Tricks dokumentiert und zugleich als „Wissenspool“ der Gemeinschaft (dem Unternehmen) zugänglich gemacht.

Als weiteres Beispiel möchten wir den amerikanischen „Guerilla“-Journalisten und Pulitzer-Preisträger Studs Terkel ‒ er gilt als „der Mann, der Amerika interviewte“ ‒ einbringen. Er nutzte das „narrative Interview“ als Stilelement seiner Bücher: Viele seiner Werke basieren vor allem auf mündlichen Nacherzählungen seiner umfassenden Gespräche und Interviews mit Zeitzeugen. Er gilt als Chronist, der das Leben des „einfachen Mannes“ im Amerika des 20. Jahrhunderts festhielt. Er dokumentierte Gespräche und Meinungen von Menschen, die normalerweise nicht im Mittelpunkt stehen.

Christine Erlach, Karin Thier und Andrea Neubauer haben die „Story-Telling-Methode“ (siehe Bild 2.2), ein Modell des Storytelling-Prozesses, aufgezeichnet.1 Sie gehen davon aus, dass Storytelling letztendlich „den Entwicklungsprozess zu einer lernenden Organisation unterstützt, was z. B. die Bereitschaft zu einem kulturellen Wandel beinhaltet“.

Der Prozess umfasst folgende Phasen, welche durchlaufen werden:

Bild 2.2 Diese Phasen durchläuft man während eines Storytelling-Prozesses in einem Change-Projekt.

Storytelling als Methode im Human Branding

Storytelling ist ein hervorragendes Instrument zum Selbstmarketing (Personal Branding). Gerade Selbstständige, Unternehmensleiter, Künstler oder Politiker bilden ihre eigene „Personenmarke“. Hier zählen Charakter, Authentizität, Individualität. Grundsätzlich wird hierbei zunächst eine Geschichte um die Person, eine Legende, herausgearbeitet (Storybuilding). Solche Hintergrundgeschichten laden die Ich-Marke mit Emotionen auf. Wer erinnert sich nicht an die „Legende“ der Marke Apple, in der zwei junge Männer, „Steve und Steve“ in einer Garage eine Firma gründeten? Und was wäre das Britische Königshaus ohne die Queen?

Viele Unternehmen erhalten gerade durch eine Person ‒ sei es der CEO oder der Gründer ‒ ein unverwechselbares Gesicht. Personen wie Steve Jobs oder Mark Zuckerberg werden zu einer eignen Ich-Marke, denken wir nur daran, dass sie Vorlagen und „Stoff“ für Hollywoodfilme wurden. Die Ich-Marken geben der Firma oder Organisation eine unverwechselbare und persönliche Note.

Nehmen wir das Beispiel der TED Talks2 (Abkürzung für Technology, Entertainment, Design). Hier stehen Menschen auf der Bühne, die ihre Geschichten, Ideen und Visionen erzählen. Das Motto all dieser Vorträge lautet: „Ideas worth spreading“. Im Mittelpunkt des jeweiligen Vortrags, der Story, stehen meist das eigene Leben und sehr persönliche Erfahrungen des Vortragenden. Hierbei erfährt das Publikum echte und authentische „Lebensgeschichten“. So kann es sich mit den Erzählern (Vortragenden) und den Inhalten der Erlebnisse identifizieren. Ziel dabei ist es, Ideen und Visionen zu verbreiten und Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Das Publikum kann Ideen oder aus den Storys gewonnene Erfahrungen auf das eigene Leben und Tun übertragen.

Brand-Storytelling: Die eigene Geschichte

Ob auf Netzwerkveranstaltungen, der eigenen Webseite, Business-Portalen wie Xing und LinkedIn oder in der Facebook-, Instagram- und Twitterbiografie ‒ überall wird der Mensch aufgefordert, etwas über sich und sein Unternehmen zu berichten. Oft sind hierbei auch die Anzahl der Zeichen eingeschränkt und in dem Wald von Millionen von Biografien soll die eigene aussagekräftig und zugleich einprägsam sein. Hierbei hilft das Erzählen der eigenen Geschichte. Die wichtigste Frage ist zunächst: Wie findet man seine eigene Geschichte? Also wie kommen Sie zur eigenen Brand-Story?

Gerade Selbstständige oder Startups stehen vor der Aufgabe sich als Person oder Gründer ins Rampenlicht zu stellen. Inhalte sollten natürlich auch so „vermittelt“ werden, dass potenzielle Kunden sie aufnehmen, verstehen und letztendlich auch konsumieren.

Die Core-Story aufbauen

Jeff Bezos, Gründer und Präsident von Amazon, sagt: „Eine Marke ist das, was Menschen über Dich sagen, wenn Du nicht im Raum bist.“ Besser ist es, die eigene Markenstory aufzubauen und zu streuen. Erzählen Sie Ihre Geschichte und untermauern Sie...

 

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