Design for Six Sigma - Kompaktes Wissen - Konkrete Umsetzung - Praktische Arbeitshilfen

Stephan Back, Hermann Weigel

Design for Six Sigma

Kompaktes Wissen - Konkrete Umsetzung - Praktische Arbeitshilfen

2014

313 Seiten

Format: PDF, ePUB, Online Lesen

E-Book: €  39,99

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ISBN: 9783446440753

 

1. Einführung in Six Sigma


Ein ideales Produkt erfüllt alle Anforderungen, die an das Produkt gestellt werden, und wird pünktlich zu genau bekannten Kosten geliefert. In der Realität entstehen bei der Erfüllung von Anforderungen an ein Produkt oder eine Leistung aber oftmals Abweichungen von diesen Forderungen – es entstehen Fehler unterschiedlicher Art. Wenn sie bemerkt werden, führen diese Fehler zu Unzufriedenheit beim Nutzer oder Empfänger eines Produkts oder einer Leistung. Als Folge solcher Fehler werden entweder teure Abhilfemaßnahmen notwendig oder aber der Kunde wendet sich bei bestehenden Alternativen einem anderen Anbieter zu. Das heißt für einen Fertigungsbetrieb oder einen Dienstleister, dass jeder Fehler bei einer Leistungserbringung zu einem wirtschaftlichen Schaden führt.

Offensichtliche und nicht ganz so offensichtliche Folgen von Fehlern sind Garantie- und Kulanzaufwände, unnötiger Energieverbrauch oder Materialverschwendung, demotivierte Mitarbeiter, erhöhte Fluktuation, Maschinenengpässe, verlorene Aufträge und vieles andere mehr. Je nach Schwere oder Häufigkeit von Fehlleistungen kann dann die Existenzgrundlage eines Betriebs gefährdet sein.

HINWEIS: Der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens oder einer Organisation gerade in Zeiten von nur gering differenzierten Angeboten kann nur erhalten oder sogar noch gesteigert werden, wenn Kunden mit der reibungslos erbrachten Leistung möglichst zufrieden sind und sie vielleicht noch weiterempfehlen. Die Vision der maximalen Kundenzufriedenheit kann also nur durch absolut fehlerfreie Produkte oder Dienstleistungen erreicht werden.

Die sogenannte Null-Fehler-Strategie soll diese Vision umsetzen. Als Maßzahl für den Erfolg der Null-Fehler-Strategie dient die Fehlerwahrscheinlichkeit. Das Ziel der Null-Fehler-Strategie ist es, die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler so klein zu machen, dass praktisch keine Fehler mehr entstehen (Bild 1.1).

In der Realität ist jedes Ergebnis mit einer Variation behaftet – um einen Zielwert existiert immer ein Unsicherheitsbereich. Dieser Unsicherheitsbereich lässt sich durch eine Verteilung versinnbildlichen. Der Mittelwert der Verteilung stellt den zu erreichenden Zielwert dar und mit der Standardabweichung als Maß für die Variation beschreibt man den Unsicherheitsbereich um den Zielwert herum. Das Ziel von Six Sigma besteht darin, die Unsicherheit um den Zielwert sehr klein zu machen (auch: die Variation zu reduzieren).

 Bild 1.1    Von der Realität über die Null-Fehler-Strategie zu Six Sigma

Wenn wie in Bild 1.1 diese Verteilung gegen Kundenakzeptanzkriterien (untere und obere Toleranzgrenzen) verglichen wird, so erhalten Sie einen Flächenanteil der Verteilung innerhalb der Toleranzgrenzen und einen Flächenanteil außerhalb der Toleranzgrenzen. Der Flächenanteil innerhalb der Toleranzgrenzen symbolisiert die Wahrscheinlichkeit einer fehlerfreien Leistung. Der Flächenanteil außerhalb der Toleranzgrenzen steht hingegen für die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Fehler auftritt. Für eine Null-Fehler-Strategie muss der Flächenanteil außerhalb der Toleranzgrenzen – die Fehlerwahrscheinlichkeit – möglichst klein sein.

Je weiter die Toleranzgrenzen vom Mittelwert entfernt sind, desto kleiner wird der Flächenanteil außerhalb der Toleranzgrenzen: Die Fehlerwahrscheinlichkeit sinkt. Diesen Abstand misst man in Einheiten der Standardabweichung „σ“ (der griechische Buchstabe „sigma“). Bei einem Abstand der Toleranzgrenzen von sechs Standardabweichungen (Six Sigma) ist der Flächenanteil außerhalb der Toleranzgrenzen vernachlässigbar klein. Damit ist praktisch Fehlerfreiheit erreicht und somit das Ziel der Null-Fehler-Strategie.

Six Sigma vereint mehrere Grundprinzipien:

  • ?  die strukturierte und standardisierte Vorgehensweise,

  • ?  die Prozessorientierung,

  • ?  der ganzheitliche Blick auf die Bedürfnisse von Kunden (Leistungsempfängern),

  • ?  der Nachweis der Wirkkette,

  • ?  die Integration in die Arbeitsaufgabe und die Unterstützung bei der Anwendung.

Im Folgenden sollen diese Punkte kurz näher erläutert werden.

Die strukturierte und standardisierte Vorgehensweise

Die Vorgehensweise nach Six Sigma zeichnet sich vor allem durch zwei Dinge aus:

  • ?  eine Struktur von aufeinander aufbauenden Projektphasen,

  • ?  ein Standard von Werkzeugen und Methoden.

Das strenge Gerüst der Projektphasen sorgt dafür, dass alle relevanten Fragestellungen für die Lösung der Aufgabenstellung tatsächlich beantwortet werden und daraus die korrekten Schlüsse gezogen werden können. Die Fragestellungen innerhalb der einzelnen Projektphasen werden mit einer standardisierten Kette von aufeinander aufbauenden und sich teilweise ergänzenden Methoden und Werkzeugen beantwortet. Damit unterstützt die Methodik die fachliche Expertise von Six-Sigma-Anwendern in hohem Maße.

Die Prozessorientierung

Das Prinzip der Prozessorientierung ist in Bild 1.2 dargestellt. Durch einen Prozess werden Eingangsgrößen in Ergebnisgrößen umgewandelt. Eingangsgrößen werden in diesem Zusammenhang auch Ursache, Input, Stellhebel oder Faktor genannt, Ergebnisgrößen bezeichnet man auch als Wirkung, Ergebnis, Output oder Response.

Anhand der Ergebnisgröße erkennt der Leistungsempfänger, ob das Ergebnis fehlerhaft ist oder seinen Erwartungen entspricht.

 Bild 1.2    Der Grundgedanke von Six Sigma: Ein Prozess wandelt Eingangsgrößen (Stellhebel) in Ergebnisgrößen um

Jedes Ereignis und jede Tätigkeit in einem Unternehmen sind als Teil eines Prozesses zu begreifen. Bei der Problemlösung ist diese Perspektive in den Mittelpunkt zu stellen. So werden Fehler nie isoliert oder personenzentriert betrachtet, sondern immer in den Zusammenhang des Prozesses und seiner Randbedingungen gestellt, in dem sie auftreten. Damit erfüllt der Grundgedanke von Six Sigma eine wesentliche Voraussetzung moderner Unternehmensführung.

Der ganzheitliche Blick auf die Bedürfnisse von Kunden (Leistungsempfängern)

Ausgangspunkt eines jeden Six-Sigma-Projekts ist immer die Frage, wer der Kunde (Leistungsempfänger) des betrachteten Prozesses ist (gemeint sind sowohl Endkunden als auch interne Kunden im Unternehmen) und welches Ergebnis erwartet wird. Diese Erwartung in ein messbares Ziel zu überführen und den Prozess so zu verbessern, dass er die Erwartung maximal erfüllt, steht im Fokus der Methode.

Jeder Kunde eines Prozesses verlangt die Erfüllung seiner Bedürfnisse in den Kategorien „vereinbarte Anforderungen“, „pünktliche Fertigstellung und Lieferung“ sowie „möglichst günstiger Preis“ (Bild 1.3). Erst wenn alle drei Kategorien zur Zufriedenheit des Leistungsempfängers erfüllt sind, ist das Ziel „Qualität“ erreicht.

 Bild 1.3    Das Qualitätsdreieck: Die geforderten Leistungsmerkmale werden zum vereinbarten Zeitpunkt pünktlich zum korrekten Preis erbracht

Die Verbesserung in einer der drei Kategorien darf nicht zu einer Verschlechterung in einer anderen Kategorie führen, so dass sich eine kontinuierliche Steigerung der Prozessleistung ergibt.

Der Nachweis der Wirkkette

Der Messung und Analyse von Prozessdaten kommt bei Six Sigma eine besondere Bedeutung zu. „Keine Aufgabenstellung ist nachhaltig gelöst, wenn der Zusammenhang aus Ursache und Wirkung nicht vollständig verstanden wurde“ lautet ein Grundsatz. Genau das macht den großen Erfolg und die Nachhaltigkeit der Verbesserungen bei Six Sigma aus und dazu gehören zuverlässige und regelmäßig erhobene Kennzahlen.

Der Umgang mit Daten, beginnend mit der richtigen Datenerhebung und Messung von Prozessen und schließlich die zielführende Analyse der gewonnenen Daten sind ein zentraler Gegenstand jeder Six-Sigma-Ausbildung. Nur durch die Konzentration auf eine verlässliche Datenlage ist ein einwandfreier Nachweis einer Ursache-Wirkungs-Beziehung möglich.

Mit dieser Konzentration auf Daten ist nicht gemeint, dass die Methode nur bei technischen oder Produktionsprozessen greift. Auch im administrativen Bereich und...

 

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