Die Neuentdeckung des Himmels - Auf der Suche nach Leben im Universum

Florian Freistetter

Die Neuentdeckung des Himmels

Auf der Suche nach Leben im Universum

2014

264 Seiten

Format: ePUB

E-Book: €  14,99

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ISBN: 9783446438828

 

TEIL I:
KEINE PLANETEN


Kapitel 1:
Ist da draußen noch etwas? Religion vs. Wissenschaft


Um nach extrasolaren Planeten suchen zu können, muss man erst einmal auf die Idee kommen, dass da draußen noch irgendetwas existiert. Wenn die Menschen nachts zum Himmel blicken, sehen sie heute genauso wie vor Tausenden Jahren nur jede Menge Lichtpunkte. Nichts deutet auf den ersten Blick darauf hin, dass einige davon Sterne sein könnten wie unsere Sonne oder Planeten wie unsere Erde. Es sind einfach nur Lichtpunkte, und es fällt schwer, in ihnen fremde Welten zu sehen.

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit extrasolaren Planeten ist gleichzeitig sehr alt und sehr jung. Sehr jung, weil es erst in den letzten Jahren möglich wurde, konkrete Informationen über diese Himmelskörper zu sammeln. Und sehr alt, weil sich die Menschen immer schon für die faszinierende Möglichkeit anderer Welten interessiert haben und sich nicht davon abhalten ließen, darüber nachzudenken, auch wenn sie keine Möglichkeit hatten, ihre Spekulationen zu überprüfen.

Der Weg von den ersten Gedanken über andere Welten bis hin zum aktiven und seriösen Forschungsgebiet, das die Suche nach Exoplaneten heute ist, war lang und mühsam. Denn früher waren die Lichtpunkte am Himmel eben noch nicht mehr als nur Lichtpunkte. Niemand wusste, was sie tatsächlich darstellten. Niemand wusste, in welcher Beziehung sie zur Erde stehen. Vor ein paar Tausend Jahren war das Universum der Menschen noch ziemlich klein. Aber vielleicht war gerade das der Grund, warum man schon damals intensiv über andere Welten nachdachte.

Aus heutiger Sicht erscheinen viele der damaligen Gedanken seltsam, absurd und manchmal sogar dumm. Und manche davon waren es sicherlich auch. Aber man darf nicht vergessen, wie anders die Welt damals war. Nicht nur die stoffliche Welt, die eine Welt ohne Technik und so gut wie ohne wissenschaftliche Instrumente war. Sondern auch die Welt in den Köpfen der Menschen, die von völlig anderen Vorstellungen dominiert war als heute. Wenn wir verstehen wollen, wie bedeutend und revolutionär die astronomischen Entdeckungen der letzten Jahre wirklich sind, lohnt sich ein Blick auf die Vergangenheit. Es ist ein Blick auf den ewigen Konflikt zwischen Glaube und Forschung, ein Blick auf Vorurteile und Vordenker, ein Blick auf jede Menge Irrwege und Sackgassen.

Für die Gelehrten im antiken Griechenland war die Frage „Ist da draußen noch etwas?“ eng mit einer anderen Frage verbunden: „Woraus besteht eigentlich alles?“ Genauso wie die Frage nach fremden Welten ist auch die Frage nach der fundamentalen Struktur der Materie eine, die die Wissenschaftler heute immer noch so stark beschäftigt wie die Menschen der Vergangenheit. Damals waren es Leukipp und Demokrit, die versuchten, den Dingen auf den Grund zu gehen. Im 5. Jahrhundert vor Christus stellten der Grieche Leukipp und sein Schüler Demokrit eine erste Theorie auf. Leukipp war der Meinung, dass die gesamte Welt aus Leere und aus Atomen besteht. Das klingt vertraut, denn genau so beschreiben wir auch heute den Aufbau der Materie. Sie besteht aus den Atomen der verschiedenen chemischen Elemente, die durch leeren Raum voneinander getrennt sind. Überraschend viel leeren Raum.

Alles das, was uns als so feste und undurchdringliche Materie erscheint, besteht in Wahrheit zum überwiegenden Teil aus Nichts. Ein Atom besteht aus einem Atomkern, der von einer Hülle aus ihn umkreisenden Elektronen umgeben ist.1 Würden wir auf die Größe eines Atomkerns schrumpfen, dann würden wir uns ziemlich einsam fühlen. Von der Elektronenhülle wäre weit und breit nichts zu sehen. Wir müssten mehr als 120 000 Schritte durch die Leere gehen, um vom Kern bis zum äußersten Rand des Atoms zu kommen. In der echten Welt würde das einem Spaziergang von 90 Kilometern entsprechen. Wir können uns ein Atom auch wie ein Fußballstadion vorstellen: In der Mitte des Feldes liegt eine Erbse, das ist der Atomkern. Die Elektronen kreisen irgendwo in den Zuschauerrängen herum, dazwischen ist leerer Raum.

Die „Festigkeit“, die wir spüren, ist nur der Effekt der elektromagnetischen Abstoßungskräfte zwischen den Elektronenhüllen der Atome. Wenn wir barfuß über den Boden laufen, berühren unsere Füße nicht wirklich den Boden. Beziehungsweise, es hängt davon ab, was man als „wirklich“ definiert. Die Elektronen in der Hülle der äußeren Atome, aus denen unser Fuß besteht, treffen auf die äußeren Elektronen der Materie, aus denen der Boden besteht. Elektronen sind elektrisch negativ geladene Teilchen, und genauso wie zwei Magnete gleicher Polung stoßen sich auch zwei Elektronen voneinander ab. Diese Abstoßung spüren wir als „fest“.

In Wahrheit ist die Sache noch etwas komplizierter. Wir wissen mittlerweile, dass auch die Atomkerne aus einzelnen Teilchen zusammengesetzt sind (den positiv geladenen Protonen und den nicht geladenen Neutronen), und selbst diese Teilchen sind wiederum aus anderen Bausteinen aufgebaut, den Quarks. Ob sie das Ende der Suche darstellen oder selbst wieder nur zusammengesetzt sind, wissen wir noch nicht. Auf der Suche nach dem Ursprung der Materie sind wir zwar schon ein großes Stück weiter als die alten Griechen, aber noch lange nicht am Ziel.

Leukipp machte vor 2500 Jahren jedenfalls den ersten Schritt. Er überlegte sich, was passiert, wenn man ein Stück Materie – zum Beispiel einen Holzscheit – immer weiter zerteilt. Man bekommt immer kleinere und kleinere Holzstücke, so lange, bis man irgendwann bei einem so kleinen Stück angelangt ist, dass eine weitere Teilung unmöglich ist. Dieses Ding nannte Leukipp das „Atom“, das unteilbare Kleinste. Das Universum war in Leukipps Vorstellung angefüllt mit den verschiedensten Atomen. Sein Schüler Demokrit führte diese Gedanken weiter. Auch er war der Meinung, dass es nichts gibt außer den Atomen und leerem Raum. Er stellte sich Atome in unterschiedlichen Formen vor: als Kugel, Würfel, Zylinder, Pyramide und so weiter. All diese Atome konnten sich auf die unterschiedlichste Art und Weise miteinander verbinden und so die verschiedenen Formen der Materie erzeugen.

Diese ganzen Atome bewegen sich in der Vorstellung von Demokrit ständig durch das Universum. Es gibt schwere und leichte Atome, große und kleine, und alle bewegen sich mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Dadurch kollidieren sie miteinander und ändern ihre Richtung. Es bilden sich verschiedene Ströme und Wirbel und ganz allgemein ein großes Durcheinander.

So soll nach Demokrit auch die Welt entstanden sein: Das ursprüngliche Universum war komplett mit durcheinanderwirbelnden Atomen angefüllt. Die Atome kollidierten miteinander und bildeten größere Brocken aus Materie, bis am Ende daraus die Erde entstand und alles, was sich auf ihr befand. Obwohl Demokrits Idee der Atome kaum etwas mit den heutigen Vorstellungen von Atomen zu tun hat, ist er mit diesem Modell doch erstaunlich nahe an der Wahrheit (siehe dazu Kapitel 3). Aber viel wichtiger sind die Folgerungen, die sich für Demokrit aus diesem Prozess ergaben: Warum sollte aus dem Gewusel der Uratome nur eine Welt entstehen? Wenn die Erde so entstehen konnte, dann konnte es doch auch noch andere Welten geben?

Im 4. Jahrhundert vor Christus führte Epikur die Gedanken Demokrits genauer aus. Er ging davon aus, dass es im Universum unendliche viele Atome gibt, aber nur eine endliche Anzahl an Elementen beziehungsweise Atomformen. Damit war auch die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten nicht unendlich groß. Wenn also alles voll mit Atomen war, die wild durcheinander wirbelten und sich zu den immer gleichen Strukturen verbanden, dann musste es auch überall Welten geben. Sogar eine unendliche Anzahl von fremden Welten, wie Epikur meinte!

Epikur war Materialist. Er wollte die Welt ohne metaphysische oder religiöse Annahmen erklären. Für ihn war daher auch die Entstehung des Lebens kein willkürlicher Akt der Götter, sondern ein Resultat der Verbindung von Atomen. Und wenn das Leben so auf der Erde entstehen konnte, dann natürlich auch auf den vielen fremden Welten, die nach Epikur das Universum bevölkerten. Die Erde war im Kosmos der griechischen Atomisten also nicht nur nicht alleine, sondern auch die Menschen waren nur ein Volk unter vielen, die im Universum lebten.

Man darf sich die fremden Welten der Griechen aber nicht einfach nur als weit entfernte Planeten vorstellen. Im damaligen Weltbild war die Erde das Zentrum des Universums (wenn auch einige der griechischen Gelehrten schon vermuteten, dass sich die Erde in Wahrheit um die Sonne bewegt), und Sonne, Mond und Sterne bewegten sich auf Sphären aus Kristall, die die Erde wie die Schalen einer Zwiebel umgaben. Die Welt der Menschen war also ein abgeschlossener Kosmos, und die fremden Welten von Demokrit und Epikur waren ebensolche kompletten Welten, die von Sonne, Planeten und Sternen umgeben waren. Aus heutiger Sicht würden sie eher Paralleluniversen entsprechen als extrasolaren Planeten.

Diese ganz auf die Erde bezogene Vorstellung des Universums hat die Suche nach neuen Welten in den folgenden Jahrhunderten und Jahrtausenden nicht gerade vereinfacht. Die Erde stand im Mittelpunkt; sie und die Menschen, die auf ihr lebten, waren Sinn und Zweck der gesamten Schöpfung. Die Sonne, der Mond und die damals bekannten Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn waren nur helle Lichter am Himmel und genauso wie die Sterne im Wesentlichen Dekoration für den Nachthimmel beziehungsweise Symbole oder Manifestationen der Götter. Sie befanden sich nicht sehr weit entfernt von der Erde an ihren Schalen aus Kristall und drehten sich um sie herum. Für andere Welten war in...

 

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