Coaching - Veränderungsprozesse meistern

Claudia Kostka

Coaching - Veränderungsprozesse meistern

2016

128 Seiten

Format: ePUB

E-Book: €  7,99

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ISBN: 9783446450257

 

2 Ebenen des Coachings

Entsprechend den Überlegungen des Anthropologen Gregory Bateson (1985), dass es mehrere grundlegende Ebenen für Lernen und Veränderung gibt, entwickelte Robert Dilts das Modell der logischen Ebenen. Dieses Modell leistet für den Coaching-Prozess fundamentale Dienste. Coaching muss demnach die folgenden Ebenen berücksichtigen (Dilts 2005):

  • Umgebung: Jedes Verhalten vollzieht sich in einem ganz konkreten Umfeld (z. B. Personen, Räumlichkeiten, Ort, Kleidung, Kultur, Herkunft etc.). Die Umgebung bestimmt Möglichkeiten und Einschränkungen für das Verhalten einer Person. (Wo und wann findet etwas statt?)

  • Verhalten: Jedes Verhalten hat Wirkungen und Konsequenzen auf andere Personen. Es umfasst die einzelnen Handlungen und Reaktionen einer Person in der Umgebung ‒ dem speziellen Kontext. (Welches Verhalten kann von außen mit den Sinnen wahrgenommen werden? Was kann man ganz konkret beobachten, sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken?)

  • Fähigkeiten und Fertigkeiten leiten Verhaltensweisen durch eine mentale Landkarte, einen Plan, eine Strategie und geben ihnen Richtung. (Wie wird etwas getan? Welche Stärken sind vorhanden und können ausgebaut werden? Wie können die vorhandenen Potenziale genutzt und weiterentwickelt werden? Welche Strategie steckt hinter dem Verhalten?)

  • Glaubenssätze und Werte dienen als Filter-, Bewertungs- und Auswahlfunktionen hinsichtlich aller auf eine Person einwirkenden Einflüsse. Glaubenssätze und Werte motivieren oder hemmen bestimmte Verhaltensweisen und Fähigkeiten. (Wofür tue ich etwas?)

  • Identität umfasst die Rolle, die Berufung und/oder das Selbstverständnis eines Menschen. Sie bezieht sich auf die Frage: Wer bin ich?

  • Vision und Sinn: Hier wird die Frage nach dem höheren Sinn geklärt. (Wozu tue ich etwas? Was ist meine Aufgabe?)

Diese Ebenen müssen in jedem Coaching berücksichtigt werden. Das Modell besagt, dass die einzelnen Ebenen nicht unabhängig voneinander verändert werden können, denn beispielsweise das Aneignen bestimmter Fähigkeiten nützt wenig, wenn weder deren Sinn noch deren Einsatzmöglichkeiten klar sind.

Wird beispielsweise eine Standortbestimmung vorgenommen, reicht es nicht aus, die Fähigkeiten der Person zu ermitteln. Man muss genauso berücksichtigen, woher (aus welchem Umfeld) diese Person kommt und wohin (Vision) sie mit welcher Absicht gehen möchte. Daraus resultiert beispielsweise in diesem Fall die Strategie des Coachings.

2.1 Umgebung

Lernen und Veränderung setzen Wahrnehmung voraus. Was nicht wahrgenommen wird, kann nicht gelernt werden. Wir nehmen wahr, indem wir Information aus unserer Umgebung bzw. unserem Umfeld bewusst oder unbewusst sortieren, bewerten, beurteilen. Wichtige Prägungen hierfür erhielten wir in unserer Kindheit, durch Erziehung, durch die Art und Weise, wie unser Gehirn arbeitet und durch weitere individuelle Bedingungen. Daraus resultiert ein ganz konkretes Verhalten im jeweiligen Umfeld. „Die Umgebung formt den Menschen“, weiß der Volksmund oder das russische Sprichwort „Sage mir, wer dein Freund ist, und ich sage dir, wer du bist“ („СКАЖИ МНЕ, КТО ТВОЙ ДРУГ, И Я СКАЖУ, КТО ТЫ“).

Demzufolge ist es notwendig, das Umfeld genau zu analysieren, denn es bildet den Rahmen und den Spiegel für die jeweilige Person. Hier stellt sich also die Frage: Wo und wann findet etwas (angemessen im System) statt? Ein Bikini am Strand ist angemessen, am Büroarbeitsplatz ist schon das Spaghetti-Top fragwürdig.

2.2 Verhalten

Verhalten ist das konkrete Handeln einer Person, basierend auf Zielen, Werten, Einstellungen sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten. Daraus ergibt sich die Rolle und Funktion jedes Einzelnen in der Gesellschaft. Im Allgemeinen wird ein sozial kompatibles Verhalten erwartet. Das heißt, jeder Einzelne muss sich an die Kultur, in der er sich bewegt, anpassen.

Das soziale Verhalten wird allgemein automatisch in der Kindheit meist in der Familie erworben. Da es in einer bestimmten Kultur verankert wird, werden andere Kulturen von diesem Standpunkt und den damit verbundenen Wertmaßstäben aus verglichen; das nennt man Ethnozentrismus. Ethnozentrisch ist der „normale“ Standpunkt oder die Sichtweise des Alltagsmenschen. Andere Kulturen werden zunächst als Abweichungen klassifiziert.

Die Globalisierung und die damit verbundene zunehmende internationale Verflechtung in allen Bereichen des Lebens führen immer mehr Menschen in eine bewusste Auseinandersetzung des eigenen Verhaltens im Kontext einer fremden Kultur.

2.3 Fähigkeiten, Fertigkeiten, Strategien

Jeder Mensch ist grundsätzlich mit einer ganzen Reihe von Fähigkeiten und Fertigkeiten ausgestattet. Es gilt, sie in erster Linie als wertvolle Ressourcen zu erkennen, zu schätzen und weiterzuentwickeln.

Einer Theorie zufolge ist Intelligenz (lat. intelligentia, Einsicht, Erkenntnisvermögen) die Fähigkeit eines Menschen, sich in angemessener Geschwindigkeit an neue Situationen anzupassen bzw. Aufgaben mithilfe von Denkvorgängen zu lösen. Howard Gardner formulierte 1991 die Rahmentheorie der vielfachen Intelligenzen. Seiner Ansicht nach beschränkt sich Intelligenz nicht auf sprachliche und analytische Fähigkeiten, die in der Schule gefördert und beurteilt werden, sondern umfasst auch andere Formen und Fähigkeiten wie (Gardner 1991)

  • musikalische Intelligenz,

  • räumliches Vorstellungsvermögen,

  • körperlich-kinästhetische Intelligenz und

  • personale (emotionale) Intelligenz.

Nach Daniel Goleman (1997)amerikanischer Psychologe und Neurologe ‒ ist die emotionale Intelligenz an folgenden fünf Parametern erkennbar:

  • Selbstbewusstsein (eigene Stärken und Schwächen kennen und ausdrücken können),

  • Selbstmotivation (die Fähigkeit, sich auch bei Unlust für eine Arbeit zu begeistern),

  • Selbstmanagement (planvolles Handeln in Bezug auf Zeit und Ressourcen),

  • Engagement in Gruppen (Teamfähigkeit, erweitert um Führungsqualitäten),

  • Empathie (Einfühlungsvermögen in andere Personen).

Nicht das Vorhandensein von Gefühlen, sondern der bewusste Umgang mit Emotionen macht eine hohe emotionale Intelligenz aus. Die Gehirnforschung konnte in den 1990er-Jahren zeigen, dass bestimmte Informationsverarbeitungsprozesse dezentral organisiert zu sein scheinen. So zeigte sich, dass sich gefühlsmäßige Entscheidungen auf eine signifikante Informationsverarbeitung im Bereich des Solarplexus stützen. Die emotionale Intelligenz scheint demnach den Volksmund zu bestätigen, wo „aus dem Bauch heraus entschieden“ wird. Körper und Geist bilden eine Einheit, die es beim Coaching zu berücksichtigen gilt, wenn mentalen Blockaden überwunden werden sollen.

2.4 Glaubenssätze und Werte

Glaubenssätze sind Leitprinzipien, individuelle innere Karten, die der Mensch benutzt, um der Welt einen Sinn und dem Leben eine Richtung zu geben. Sie motivieren oder demotivieren die Handlungen, die der Mensch tut oder tun will. Sie bestimmen, wie ein Mensch auf Ereignisse in seinem Leben reagiert, wie er sich in jedem Augenblick fühlt und was er denkt. Glaubenssätze sind wie starke Wahrnehmungsfilter. Sie entwickeln sich durch Erziehung, Vorbilder oder wiederholte Erfahrungen. Glaubenssätze entwickeln sich, indem Erfahrungen mit der Welt und den Mitmenschen generalisiert werden (Robbins 2003).

Wenn wir etwas glauben, verhalten wir uns so, als sei es wahr. Dies macht es schwer, Glaubenssätze zu hinterfragen und zu widerlegen. Wir haben jedoch jederzeit die Möglichkeit, unsere Glaubenssätze infrage zu stellen und neu zu definieren.

Unsere Werte verkörpern das, was uns wirklich wichtig ist. Sie bestimmen maßgeblich, was wir für eine Ausbildung machen, warum und für wen wir arbeiten, wie und mit wem wir unsere Beziehungen gestalten und wo wir leben. Sie bestimmen, welches Auto wir fahren, welche Kleidung wir tragen und wohin wir zum Essen gehen.

Werte werden von Glaubenssätzen gestützt. Wie die Glaubenssätze erwerben wir Werte durch Erziehung, Erfahrungen und Nachahmen von Eltern, Vorbildern und der Gemeinschaft, der wir uns zugehörig fühlen. Werte sind die fundamentalen Prinzipien, nach denen wir leben.

Innerlich sind Werte durch Bilder, Erinnerungen und Vorstellungen, sprachlich werden sie durch Nominalisierungen repräsentiert: „Freiheit, Recht, Liebe, Begeisterung, Hilfsbereitschaft, Vaterlandstreue, Sparsamkeit …“ Durch sie entscheiden wir, ob unsere Handlungen gut oder schlecht, richtig oder falsch sind. Die Werte, die am längsten überdauern und uns am meisten beeinflussen, sind frei und im Bewusstsein der Konsequenzen gewählt. Dennoch steuern Werte weitgehend unbewusst unser Handeln.

2.5 Identität und Rollen

Persönliche Identität bezieht sich auf die Einzigartigkeit jeder Einzelperson, die besondere Kennzeichen und eine unverwechselbare Biografie hat, sodass sie sich von anderen unterscheidet. Unter sozialer Identität ist die Zuschreibung vorgegebener Verhaltensweisen zu verstehen, die...

 

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