Lean Management

Pawel Gorecki, Peter R. Pautsch

Lean Management

2015

128 Seiten

Format: ePUB

E-Book: €  7,99

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ISBN: 9783446447349

 

2 Leitfaden zur Implementierung von Lean Management
2.1 Die Lean-Philosophie verstehen

Wird Lean Management als eine der vielen in der Praxis gängigen oder in Lehrbüchern beschriebenen Manage-mentmethoden aufgefasst, passiert in der Praxis Folgendes: Auf der Grundlage der in Fachbüchern dokumentierten Methoden und Instrumente erfolgt eine schnelle Einführung verbunden mit der Erwartung, der gleiche Erfolg wie bei Toyota oder Porsche würde alsbald eintreten. Besichtigt man Unternehmen, die dieser Strategie gefolgt sind, erlebt man auf den ersten Blick eine wahrhaft schlanke Produktion. Methoden wie 5 S oder Zoning sind laut monatlichem Auditbericht vorbildlich implementiert, und das Topmanagement ist begeistert: Mission completed.

Sieht man jedoch hinter die Kulissen, so hat sich in diesen Unternehmen wenig verändert. Die Einstellung der Mitarbeiter gegenüber der ständigen Verbesserung oder die Haltung der Manager gegenüber Fehlern und Problemen ist immer noch dieselbe geblieben. Es haben sich Verbesserungen ergeben, die Effizienz mancher Prozesse hat sich zweifellos verbessert, aber von einem „durchschlagenden“ Erfolg kann nicht die Rede sein. Wir haben es hier mit der Variante „Lean Window Dressing“ zu tun. Die äußere Erscheinung (die sichtbaren Elemente von Lean) deutet auf Lean Management hin, von einer echten Realisierung ist man hier noch Lichtjahre entfernt (Umsetzung auch der nicht sichtbaren Elemente von Lean Management).

Reduzierung der Umrüstzeiten durch SMED

Die Umrüstzeitreduzierung von Maschinen und Anlagen durch SMED (Single Minute Exchange of Die; vgl. Kapitel 7) kann als Einzelmaßnahme realisiert werden. Hierdurch werden Produktionskosten reduziert und Durchlaufzeiten verkürzt. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme verpufft jedoch völlig und mündet oft in noch größeren Lagerbeständen, wenn keine Einbindung in den gesamten Wertstrom der Produktion erfolgt.

Wie kann dieser Zielzustand eines echten Lean Management erreicht werden? Folgende Antworten auf diese Frage sind hilfreich:

  • Lean Management muss als Unternehmensphilosophie verstanden werden, nicht als eine Methode. Philosophie bedeutet, dass die nachfolgend beschriebenen Prinzipien von allen Mitarbeitern verstanden und mitgetragen werden. Dieser Prozess beginnt auf der obersten Leitungsebene. Wird Lean Management vom Topmanagement nicht nachhaltig und intensiv vorangetrieben, wird der Erfolg nicht eintreten.

  • Die Methoden, Instrumente und Werkzeuge des Lean Management sind nur Mittel, um das Unternehmen Schritt für Schritt der Vision näher zu bringen. Diese sind nie Selbstzweck, werden nach Bedarf eingesetzt und an die konkreten Aufgabenstellungen zur Problemlösung angepasst.

  • Die Implementierung der Lean-Management-Philosophie im Unternehmen beginnt bei den Mitarbeitern und deren Einstellung gegenüber Fehlern, Problemen, Verbesserungen, der Eliminierung von Verschwendung und dem Fokus auf den Wert des Produktes oder der Dienstleistung für den Kunden. Hierzu ist eine Kulturveränderung notwendig, die nicht innerhalb weniger Monate zu erreichen ist. Erscheint dem Management dieser Weg zu zeitintensiv und zu aufwendig, bleibt nur die Beschränkung auf die Window-Dressing-Variante.

Der wesentliche Kern von Lean Management kann mittels fünf Prinzipien beschrieben werden (vgl. Womack 2003):

  • Präzise Beschreibung des Wertes des Produktes oder der Dienstleistung: Der Wert eines Produktes oder einer Dienstleistung wird ausschließlich vom Kunden bestimmt. Deshalb stehen für Unternehmen, die Lean Management realisieren wollen, die Anforderungen des Kunden und deren „Wertschätzung“ von Produkten und Leistungen bzw. deren Eigenschaften an erster Stelle.

  • Identifikation des Wertstromes des Produktes oder der Dienstleistung: Hierbei geht es nicht nur um die interne Supply Chain, also den Ablauf des Wertschöpfungsprozesses im Unternehmen, sondern um das gesamte Netzwerk von Unternehmen (Lieferanten, Lieferanten der Lieferanten usw.), die für die Herstellung eines Endproduktes verantwortlich sind (externe Supply Chain). Alle Tätigkeiten (ob wertschöpfend oder nicht) sind Bestandteil des Wertstromes und somit Gegenstand des Produktions- bzw. Prozesssystems (Lean Management).

  • Fluss (Flow) des Wertes ohne Unterbrechung: Dieses Lean-Prinzip fordert einen Wertschöpfungsprozess, der nicht durch Lagerung von Zwischen- oder Endprodukten und durch Liegezeiten im Produktionsprozess unterbrochen wird. Dieses Prinzip ist am schwierigsten umzusetzen, da das stapelweise Abarbeiten von Zwischenschritten (Losgrößenfertigung) eine Art Naturgesetz menschlicher Arbeitsweise zu sein scheint, welches nur ungern durch das Flow-Prinzip ersetzt wird.

  • Ziehen (Pull) des Wertes durch den Kunden: Nach diesem Prinzip wird der Wertstrom nicht durch den Planungsprozess des herstellenden Unternehmens in Gang gesetzt, sondern durch den Bedarf bzw. die Nachfrage des (End-)Kunden. Es wird demnach nur dann produziert, wenn die Produkte oder die Dienstleistungen gebraucht werden.

  • Streben nach Perfektion: So wie das Lernen in unserer Wissensgesellschaft nie aufhört, so ist Kaizen (Lean Management) eine Daueraufgabe. Die Umsetzung des Flow- und des Pull-Prinzips kann immer verbessert werden, und selbst Unternehmen wie Toyota, die vor über 50 Jahren begonnen haben, Kaizen (Lean Management) zu realisieren, streben weiter nach Perfektion.

2.2 Added Value (Wertschöpfung)

Stellt man die Frage nach der Definition des Wertes kann man sich dieser unter Zuhilfenahme der Fragestellung „Was möchte der Kunde?“ annähern. Hierbei entsteht die Unterscheidung zwischen Prozessen, die der Kunde sich „wünscht“ und Prozessen die der Kunde sich „nicht wünscht“. Es handelt sich dabei um die Beschreibung des Added Values (Wertschöpfung) und der Verschwendung (Muda). Bei der Wertschöpfung geht es ausschließlich um wertsteigernde Tätigkeiten, die für den Kunden von Nutzen sind und wofür er bereit ist, einen höheren Preis für diesen Prozess/diese Funktion am Produkt zu bezahlen.

Added Value (Wertschöpfung): An einer Kiste werden Haltegriffe angebracht, die es dem Kunden ermöglichen, diese leichter zu tragen.

2.3 Verschwendung, Unausgeglichen­heit, Überbeanspruchung

Verschwendung ist der Sand im unternehmerischen Getriebe, der zu hohen Kosten, unzureichender Effizienz und fehlender Effektivität bei der Erreichung der Ziele führt. Deshalb ist die Beseitigung von Verschwendung eines der Kernziele von Lean Management. Aber Lean Management geht noch weiter. Ziele des Lean Management sind:

  • Vermeidung von Verschwendung (Muda),

  • Beseitigung von Unausgeglichenheit (Mura),

  • Reduzierung von Überbeanspruchung (Muri).

Verschwendung (in der japanischen Sprache Muda) ist ein Schlüsselbegriff im Lean Management. Dieser bezeichnet jede Aktivität, die Ressourcen in irgendeiner Form (Arbeitskraft, Flächen, Maschinen etc.) verbraucht, jedoch keinen Wert erzeugt.

Verschwendung ist in allen Bereichen des Lebens zu finden. Nicht nur in der Produktion von Unternehmen, sondern auch in Dienstleistungsunternehmen, der öffentlichen Verwaltung und im Lagerbereich von Unternehmen.

Probates Mittel gegen Verschwendung ist das Lean Management, welches den Weg aufzeigt, wie die wertschöpfenden Aktivitäten erkannt und in einer Art und Weise organisiert werden können, sodass alle nachfolgend genannten Formen von Verschwendung weitestgehend beseitigt werden:

  • Überproduktion: Herstellung von Produkten, für die keine Aufträge vorliegen, woraus Lagerbestände entstehen.

  • Wartezeit: Mitarbeiter, die auf den Abschluss des vorgelagerten Prozessschrittes warten und aufgrund von Fehlmengen oder wegen technischer Ausfälle und Kapazitätsengpässen keine Arbeit haben.

  • Unnötiger Transport oder Beförderung: Transport von Halbfabrikaten über lange Distanzen, Transport von Material in oder aus einem Lager oder zwischen Prozessschritten.

  • Unnötige oder falsche Prozesse: ineffiziente Prozesse aufgrund schlechter Werkzeuge oder Produktgestaltung sowie nicht notwendige Prozessschritte.

  • Überschüssige Lagerbestände: überflüssige Bestände an Halbfabrikaten und Fertigprodukten, Bestände obsoleter Teile oder Produkte.

  • Unnötige Bewegungen: überflüssige Bewegungen/Akti­vitäten von Mitarbeitern während der Arbeit (z.B. das Holen von Werkzeugen und Material, mehrfaches Aufnehmen und Ablegen desselben Werkstückes).

  • Defekte: Herstellung von defekten Teilen (Ausschuss) oder Fehlerbehebung (Nacharbeit).

  • Ungenutzte Kreativität der Mitarbeiter: Verlust von Zeit, Ideen, Verbesserungspotenzial, Fähigkeiten und Chancen zu lernen, wenn Mitarbeiter nicht in den Verbesserungsprozess einbezogen werden.

Unausgeglichenheit (Mura) ist verursacht durch eine unzureichende Abstimmung/Nivellierung der Kapazitäten von Produktionsmitteln in der Supply Chain und Mitarbeitern in der Fertigung. Symptome sind Lagerung von Halbfabrikaten vor den Werkstätten oder Arbeitsstationen. Ursache ist oft eine zentrale Produktionsplanung und Steuerung, durch die man nicht in der Lage ist, einen Wertstrom ohne Unterbrechung zu gewährleisten.

Selbststeuernde Regelkreise (Kanban) oder zeitgenaue, am Bedarf orientierte Anlieferung von Teilen...

 

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